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Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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ein Städtchen, das schon erwähnte Leesburg, drüben, jenseits der Berge. Einmal in jedem Monat gehe ich dorthin, um mir meinen Lebensbedarf zu holen. Die übrige Zeit verbringe ich zur Hauptsache hier, beschäftige mich mit mir selbst, mit dem Haus, mit Goldie und mit meinen Blumen. Ich vermute, daß du dich wunderst, warum ich so viele Blumen habe, wo du weißt, daß ich farbenblind bin. Aber meine Nase ist in Ordnung; ich kann sehr gut riechen, und das entschädigt mich dafür, daß ich ihre schönen Farben nicht wahrnehmen kann. Selbstverständlich hocke ich aber nicht immer daheim. Oft wandere ich mit Goldie durch die Wälder, die Berge und die Wüste, wo ich dich gefunden habe. Dort suchen wir Gold und Silber. Gefunden haben wir zwar noch nie etwas, aber das macht mir Spaß.« Gordons Augen strahlten, wenn er von seinen Wanderungen berichtete. Stunden um Stunden konnte er von seinen Streifzügen durch das Land erzählen, von den Schönheiten und Überraschungen, die sie ihm boten. Und der Junge vergaß beim Zuhören für eine Weile seine Sorgen. Die Geschichten von der Suche nach Gold und Silber fesselten ihn. Erst spät merkte er, daß es Gordon durchaus nicht darum zu tun war, Reichtümer zu finden, sondern daß ihm das ständige Forschen und Suchen Selbstzweck war. Gordon liebte das endlose Streifen durch Canyons, Schlünde, Täler, Wüste, Wälder und Berge. Das Geheimnis des weitgehend unbekannten Gebiets hatte es ihm angetan.
    In der folgenden Woche sprach Gordon nur wenig von sich selbst, seinen Wanderungen und seinem Leben unter den Fichten. Es war, als habe er seiner Redelust Genüge getan und würde gern wieder allein sein. Einmal hatte er sogar vergessen, warum sich der Junge bei ihm auf hielt, denn er sagte zerstreut: »Dein Gesicht ist mir bekannt, McGregor, bist du jemals in Hollywood gewesen?« Erst als er sah, daß der Junge blaß wurde, fiel ihm alles wieder ein. Als er ihn stammeln hörte: »Ich weiß es nicht...«, murmelte er eine kurze Entschuldigung für seine Vergeßlichkeit und ging schnell hinaus, um sich mit seinen Blumen zu beschäftigen.
    Der Junge hatte seine Kräfte wiedergewonnen, er fühlte sich vollkommen gesund, bis auf die Kopfschmerzen, die ihn jeden Tag ein- oder zweimal heimsuchten und an seine Verletzung erinnerten. Doch er lebte mit der quälenden Erkenntnis, daß wohl die Krankheit seines Körpers überwunden war, aber keineswegs die seines Geistes. Es gab nicht ein einziges Anzeichen dafür, daß sich seine Gedächtnislücke schloß; nichts gab ihm Hoffnung, daß er sich eines Tages seiner Vergangenheit wieder bewußt werden würde.
    Gordon bemerkte die Seelenqual seines Schützlings, er versuchte alles, um ihm zu helfen, und wurde wieder ein wenig gesprächiger. Eines Abends sagte er: »Du mußt dich mit der Tatsache abfinden, daß du eine schwere Gehirnerschütterung erlitten hast, die zu einem Gedächtnisschwund führte. Ich vermute, daß du überhaupt nur aus dem Grund ohne ärztliche Hilfe wieder so weit gesund geworden bist, weil du eine so kräftige Körperkonstitution hast. Du bist jetzt auf dem Weg völliger Genesung; aber um das zu beschleunigen, mußt du viel ruhen und tüchtig essen. Ich bin überzeugt, daß dir jeder Arzt dasselbe sagen würde.«
    »Wozu ist meine körperliche Wiederherstellung nutze, wenn ich mich doch an nichts erinnern kann?« fragte der Junge bitter.
    »Dein Gedächtnis wird ebenfalls zurückkehren, wenn du gesund bist und es dir sehr dringlich wünschst.«
    »Wünschst?« Ein dünnes Lächeln umspielte McGregors Lippen. »Denken Sie denn, ich wünsche es mir nicht ernsthaft?«
    Der Mann sah den Jungen eine Weile forschend an, dann sagte er: »Jaja, ich glaube schon, daß es an dem ist, aber in den letzten Tagen hatte ich manchmal Zweifel. Ich habe gehört, daß manche Leute in deinem Zustand ihr Erinnerungsvermögen nicht wiederfinden, weil sie sich nicht erinnern wollen.« Er sah McGregor wieder in die Augen, die tiefe Traurigkeit spiegelten. »Doch das gilt nicht für dich; ich habe mich geirrt.«
    »Sie haben an das Geld gedacht«, erwiderte McGregor vorwurfsvoll, »Sie dachten, weil die Polizei mich sucht...« Er machte eine Pause. »Nein, ich möchte mich an alles erinnern«, fuhr er heftig fort. »Mir ist es gleichgültig, was danach aus mir wird, ich kann es ertragen, wenn ich endlich weiß, wer ich bin und was hinter mir liegt. Bitte, glauben Sie mir das doch!«
    »Ich glaube dir. Und wenn du so dringlich dein Gedächtnis

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