Blitz der Hengst des Sonnengottes
fest auf die dichte, graue Masse menschlicher Gestalten, die den Ausgang aus der Arena blockierten.
»Sie wollen und töten!« rief er.
Ein Stein kam von oben und traf den Hengst am Kopf. Er heulte auf vor Schmerz. Ein Speer streifte Alecs Schulter, und als er das Gleichgewicht verlor und fast gestürzt wäre, erhoben sich kreischende Stimmen.
Blitz lief mit weit ausgreifenden Schritten, und Alec hoffte, daß diejenigen, die ihn am Ausgang der Schlucht erwarteten, bei seinem Anblick auseinanderstieben würden. Immer schneller raste das Pferd, schnaubte Wut aus geweiteten Nüstern und setzte über Baumstümpfe und Felsblöcke, als wenn sie nicht dawären.
Doch am Ausgang der Arena wogten die grausigen Leiber dem heranstürmenden Hengst entgegen. Es schienen Hunderte zu sein, und sie zeigten keine Furcht. Woher kamen sie alle nur? Je mehr Alec sich ihnen näherte, desto besser konnte er den Schmuck aus Knochen, Federn und Zähnen erkennen, den sie auf ihren nackten, bemalten Körpern trugen. Ihre Köpfe waren kahlgeschoren, sie blickten unter schweren Lidern hervor. Und während sie in dichter Masse auf ihn zuwankten, lallten sie einen irren, fiebrigen Singsang.
Als Blitz sich auf sie stürzte, öffneten die Kiffer ihre Münder zu einem wilden Geschrei. Dann stoben sie auseinander und wurden von dem wilden Anprall des Hengstes zu Boden geschleudert. Doch richteten sie sich sofort wieder auf und schleuderten Pfeile und Speere nach dem Rappen.
Blitz schrie auf vor Wut und Schmerz, als der Hagel der Waffen auf ihn niederprasselte. Er blieb stehen, bäumte sich auf und wirbelte mit den Vorderhufen durch die Luft. Ein Stein traf ihn in die Weichteile seines Bauches. Wutzitternd ließ er sich fallen, unentschlossen, was er tun sollte.
»Lauf, Blitz, lauf!« schrie Alec ihm ins Ohr.
Da schoß er vorwärts, aber nicht etwa, um dem Gewimmel der gespenstischen Gestalten zu entkommen. Er schob den Kopf vor und faßte den am nächsten Stehenden mit zornigem Biß, hob ihn hoch und schüttelte ihn heftig hin und her, bevor er ihn wieder zu Boden fallen ließ.
Feuer glühte in seinen Augen, als er mit seinen eisenbeschlagenen Hufen auskeilte. Rasend sprang er vor und zurück, so schlau und geschickt wie ein wildes Tier beim Angriff.
Ein Stein traf Alec in den Rücken, und er schrie auf. Das Blut rann ihm heiß durch die Adern vor Angst und Wut. Er wußte, daß Blitz entschlossen war, seine Angreifer zu töten und daß er ihn nicht daran hindern konnte.
Der Hengst stürmte in den Haufen bemalter Körper hinein. Von seinem verletzten Maul spritzten blutige Schaumflocken. Mit Zähnen und Hufen würde er die geisterhaften Gestalten zerfetzen. Denn jetzt waren Blitz und Alec ihnen so nahe, daß sie ihre Waffen nicht mehr gebrauchen konnten. Nur noch mit den Händen schlugen und hämmerten sie daher auf den Hengst ein und versuchten, ihn zu Fall zu bringen. Doch stand die Angst jetzt auch in ihren Augen, denn die Vorderbeine des Rappen rissen einen nach dem anderen zu Boden.
Aber es waren zu viele für Blitz. Er atmete schwer und spie Blut. Alec wendete ihn in Richtung der Ruinen auf der anderen Seite der Arena. Zwar wußte er, daß ihnen hier der Ausgang versperrt war, aber die einzige Möglichkeit, sich und sein Pferd zu retten, war schneller zu sein als die Horde der wüsten Gestalten.
Wer versuchte, den Hengst festzuhalten, den trafen seine Hufe. Die Gestalten wichen zurück, ihre Schreie erfüllten die Luft. Jetzt trieb Alec den Rappen durch die lange Arena. Erst wenn sie weit genug von dem rasenden Pöbel entfernt waren, durften sie sich ausruhen. Auch wenn dies gelang, blieb alles ungewiß, bis auf eins: Es gab kein Zurück mehr.
Vor der Ruine brachte Alec den Hengst zum Stehen. Vor langer Zeit mußte sie einmal ein riesiges Bauwerk gewesen sein. Eine der Außenwände, wohl einen halben Meter dick, stand noch. Aber Alec und seinem Pferd bot dieser Trümmerhaufen keine Zuflucht, er konnte ihnen nur einen Augenblick als Deckung dienen.
Alec glitt von Blitz’ Rücken und strich mit blutigen Händen über seinen Körper. Er fand offene Wunden, aber zu Glück weder gebrochene Knochen noch Sehnenrisse. Seufzend richtete er sich auf und sagte zu Blitz: »Wir müssen weiter, mein Armer, sie werden uns verfolgen.«
Doch erst einmal legte er die Arme um den schaumbedeckten Nacken seines Pferdes, um es zu trösten. Dabei sah er sich nach einem Versteck um. Hinter den Ruinen lag ein düsterer Platz, dicht mit Kiefern bestanden.
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