Blitz der schwarze Hengst
Hals und ließ ihn sein Gewicht fühlen. Nach
einigen Minuten glitt er behutsam auf seinen Rücken. Wieder schnaubte der
Hengst, bäumte sich und warf die Last in hohem Bogen ab.
Alec raffte sich auf, diesmal noch etwas
mühsamer. Doch nachdem er sich ausgeruht hatte, pfiff er wieder dem Pferd. Der
Hengst kam auf ihn zu. Entschlossen stieg Alec auf die Sanddüne und ließ das
Pferd von neuem sein Gewicht fühlen. Sanft sprach er in das eine große Ohr:
»Ich bin’s, Schwarzer, sei brav, schön brav.« Er setzte sich rittlings und
schlang den einen Arm um den Hals des Pferdes, als es sich halb bäumte. Dann
raste der Hengst wie aus der Pistole geschossen am Strand entlang. In seinem
gestreckten Galopp schien er geradezu durch die Luft zu fliegen.
Alec klammerte sich in letzter Verzweiflung an
die Mähne. Der Wind brauste vorbei, und er konnte nichts sehen. Plötzlich
schwenkte der Hengst ab und sprengte den Sandhügel hinauf; er erreichte den
Gipfel und flitzte hinunter. Der kleine Teich war ein verschwommener Fleck, als
sie vorbeisausten. Als er bei den Klippen war, beschrieb er einen weiten Bogen,
ohne daß sich seine Geschwindigkeit verringerte. Jetzt raste er durch eine
lange Schlucht. Alec nahm undeutlich etwas Dunkles vor sich wahr, und jählings
erinnerte er sich der tiefen Rinne, die dort war. Er fühlte, wie sich der
Hengst sammelte; unwillkürlich lehnte sich der Knabe vor und klammerte sich mit
Händen und Knien fest. Dann waren sie in der Luft und flogen über das schwarze
Loch. Alec rutschte ein wenig, als sie landeten; aber er fing sich beizeiten
auf, um einen Sturz zu verhüten. Wieder gelangte der Hengst zum Strand; sein
Hufschlag ertönte regelmäßig und rhythmisch auf dem weißen Sand.
Der Sprung hatte Alecs Denken geklärt und ihm
Sicherheit verliehen. Er lehnte sich näher zum Ohr des Pferdes und wiederholte
ein ums andre Mal: »Ruhig, Schwarzer, ruhig, sei schön brav.« Der Hengst schien
über den Sand zu gleiten; dann begann seine Geschwindigkeit nachzulassen. Alec
redete ihm fortwährend zu. Jetzt ging das Pferd im Schritt, und schließlich
blieb es stehen. Der Knabe ließ die Mähne los und schlang die Arme um seinen
Hals. Er war völlig erschöpft; für einen solchen Ritt war er nicht in
geeigneter Verfassung gewesen. Müde stieg er ab. Niemals hätte er sich’s träumen
lassen, daß ein Pferd so schnell rennen könnte! Der Hengst sah ihn an; er hielt
den Kopf hoch, der große Leib war nur leicht mit Schweiß bedeckt. »Ich werde
dich Blitz nennen«, sagte Alec. »Blitz sollst du heißen, weil du so schnell wie
der Blitz bist, und weil ein Gewitter dich mir beschert hat.«
An diesem Abend lag Alec noch lange wach. Der
ganze Körper schmerzte ihn; aber das Herz klopfte ihm vor Freude. Er hatte den
Hengst geritten! Er hatte das wilde, ungezähmte Tier durch Freundlichkeit
gewonnen. Er war überzeugt, daß Blitz von nun an ihm gehörte — ihm allein! Aber
wozu... Ob sie wohl jemals gerettet würden? Ob er die Heimat jemals wiedersehen
würde? Er schüttelte den Kopf. Er hatte sich gelobt, darüber nicht mehr
nachzudenken.
Am folgenden Tage bestieg er Blitz abermals. Das
Pferd bäumte sich halb, wehrte sich aber nicht gegen ihn. Alec sprach ihm leise
ins Ohr, und es stand still. Dann gab er ihm einen leichten Stoß in die Seiten,
und es begann zu gehen — in langsamem, ausgreifendem Schritt. Eine weite
Strecke legten sie am Strand zurück, und dann versuchte Alec das Pferd zu
wenden, indem er sein Gewicht verlagerte und sacht den Kopf des Hengstes
herumstieß. Allmählich machte Blitz kehrt. Alec faßte die lange Mähne fester
und gab dem Hengst die Schenkel. Blitz ging vom Schritt in einen schnellen Trab
über. Der Wind blies die Mähne dem Knaben ins Gesicht. Blitz trabte mühelos,
und Alec fand den Ritt leicht. Nach einer Weile gelang es ihm, den Hengst zum
Schritt zurückzubringen und schließlich auch zum Stillstand zu bewegen. Langsam
lenkte er ihn nach rechts, hierauf nach links und dann im Kreis herum.
Ermüdende, anstrengende Stunden vergingen,
während Alec dem Hengst verständlich zu machen suchte, was er von ihm wollte.
Die Sonne senkte sich schon dem Meere zu, als er Blitz im Schritt zum Ende des
Strandes gehen ließ. Der Hengst machte kehrt und stand still; vor ihnen
erstreckte sich der weiche, weiße Sandstrand gut anderthalb Kilometer weit.
Plötzlich schoß Blitz los, so daß Alec beinahe
abgeworfen worden wäre. Mit erstaunlicher Schnelligkeit steigerte er das
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