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Blitz der schwarze Hengst

Blitz der schwarze Hengst

Titel: Blitz der schwarze Hengst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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beladen waren,
krochen vorüber. Alecs Augen füllten sich mit Tränen. Was war denn nur mit ihm?
In seinem Alter war man doch nicht mehr gefühlsselig! Aber die Kehle preßte
sich ihm zusammen, und er mußte immer wieder leer schlucken, während sich das
Schiff seiner Heimat näherte.
    Eine elektrische Fähre pflügte neben dem
Frachtdampfer durchs Wasser; auf dem Deck drängten sich Menschen. Die Sonne
ging hinter den Gebäuden an der Küste von Jersey unter. Blitz schnüffelte an
Alecs Hand. Alec wandte sich ihm zu und sagte lächelnd: »Nur noch ein paar
Minuten, Blitz.« Er holte aus der Tasche zwei Zuckerstücke und ein Radiogramm
hervor. Der Hengst fraß ihm den Zucker aus der Hand. Alec faltete das Blatt
auseinander und las abermals den Inhalt: »Wir holen Dich am Kai ab. Können
Wiedersehen kaum erwarten. Innigst Mutter und Vater.«
    Der Dampfer befand sich jetzt gegenüber von
Brooklyn, wo er anlegen sollte. Die Schlepper schwangen ihn herum und steuerten
dem Ufer zu. Im Laderaum ging es laut zu, während die Mannschaft Vorbereitungen
zum Löschen der Ladung traf. Blitz wurde unruhig.
    Endlich legte das Schiff an. Alec spürte den
leichten Anprall. Die Ankerketten rasselten hinab. Einige Minuten später wurden
die Türen des Laderaums aufgeschoben.
    Die Pferdeknechte machten sich daran, ihre
Pferde hinauszuführen. Blitz hatte es seinem Ruf zu verdanken, daß er warten
mußte, bis alle andern draußen waren. Dann erhielt Alec von einem Matrosen das
Zeichen. Er lächelte, als er den Mann flink zur Seite weichen sah.
    Er führte Blitz aus der Box, die Hand fest an
der Halfter. Der Hengst reckte den Kopf; er merkte, daß etwas Ungewöhnliches
geschehen sollte. Leichtfüßig tänzelte er zur Tür des Laderaums. Auf dem Kai
wimmelte es von Menschen. Die Dunkelheit hatte sich herabgesenkt, und die Lichter
waren angezündet. Blitz schnaubte; so etwas hatte er noch nicht gesehen. Er
bäumte sich; aber Alec brachte ihn herunter. Es war ein kühler Herbstabend. Ein
Windstoß fegte durch den Laderaum und zauste die Mähne des Hengstes. Seine
großen Augen schweiften unruhig umher, und er stieß ein kurzes, scharfes
Wiehern aus. Er schüttelte den Kopf und schrie. Jähe Stille senkte sich über
den Kai, und alle Blicke gingen zu Blitz. Langsam führte Alec ihn über den
Laufsteg. Er fühlte das Zittern des schweren Pferdeleibes, als sich die
Geräusche der Riesenstadt immer mehr bemerkbar machten, da auf dem Kai nun
Stille herrschte. Auf halbem Wege stieg Blitz plötzlich hoch in die Luft. Alec
brachte ihn wieder herunter. Drei Matrosen kamen auf den Laufsteg, um ihm zu helfen.
Als Blitz sie sah, bäumte er sich abermals und schlug mit den Vorderhufen aus.
Die Männer blieben stehen. Der Hengst war in Schweiß ausgebrochen.
    Alec erkannte, daß er die Gewalt über ihn
verlor. Er faßte die Halfter noch fester mit beiden Händen. Ein Lastwagen fuhr
über den Kai; die blendenden Scheinwerfer kamen rasch auf sie zu. Blitz schrie
und stieg wieder auf die Hinterhand. Alec wurde in die Höhe gehoben; aber er
ließ die Halfter nicht los. Das Pferd schleuderte ihn zur Seite; er verlor den
Halt und fiel auf den Laufsteg. Hoch über sich sah er die ausschlagenden Hufe.
Die Schreckensschreie der Zuschauer zerrissen die Stille.
    Als Blitz herunter kam, landeten seine
Vorderbeine zu beiden Seiten von Alecs Kopf. Der Hengst schnaubte, machte kehrt
und verschwand im Laderaum. Alec lag still, vorübergehend benommen. Dann halfen
ihm eifrige Hände auf die Füße.
    »Fehlt dir auch nichts?« fragte einer der
Männer.
    »Gar nichts«, antwortete Alec, »nur ein bißchen
erschrocken.«
    »Das glaube ich gern! So ein wilder Kerl.«
    Ein Polizist kam mit gezückter Pistole herbei.
Angst um den Rappen schlich sich in Alecs Herz. Er sah den Polizisten an und
beschwor ihn: »Erschießen Sie ihn nicht!«
    »Das habe ich nicht vor«, entgegnete der
Polizist, »solange er kein Menschenleben gefährdet.«
    Alec fühlte sich gekräftigt. »Ich will ihn
holen«, sagte er.
    »Ich komme mit dir«, erklärte der Polizist. Die andern
Männer entfernten sich vom Laufsteg.
    »Vielleicht kann ich es besser allein«, meinte
Alec.
    »Schon möglich, aber ich komme für alle Fälle
mit.«
    Alec betrat als erster den Laderaum. Er sah das
Pferd neben seiner Box stehen. Seine angsterfüllten Augen wandten sich dem
Knaben zu.
    »Was ist denn, Blitz?« redete Alec ihm zu. »Ist
dir New York zuviel?« Vorsichtig ging er weiter und klopfte dem Hengst den
Hals.

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