Blitz der schwarze Hengst
Hände. Sie waren geballt, und in
den Fäusten hielt er lange, schwarze Haare. Fragend sah er Henry an. »Wie...«
begann er.
»Es ist alles gut, Junge. Du wolltest nicht
loslassen. Wie fühlst du dich?«
»Ein bißchen schwindlig. Wo ist Blitz?«
»Es fehlt ihm nichts. Ich habe ihn mit Napoleon
in den Wagen gebracht.«
»Bin ich vom Pferd gefallen, Henry?« fragte
Alec.
Jakes hohe Stimme drang an seine Ohren: »Vom
Pferd gefallen? Nein, Junge. Wenn der Rappe weitergelaufen wäre, säßest du immer
noch im Sattel. Mit einem Messer mußte man dich absäbeln, als er Stillstand,
und Henry war der einzige von uns, der Blitz nahe kommen konnte.«
»Ich bin froh, daß ich oben blieb«, sagte Alec.
»Ich glaube, so schnell ist Blitz noch nie gelaufen. Ich bekam fast keine Luft
mehr.«
»Es braucht Mut, ihn zu reiten, Alec«,
antwortete Henry. »Ich bin sehr stolz auf dich. Aber nun wollen wir versuchen,
dich auf die Beine zu stellen. Es ist besser für dich, wenn du dich bewegst.«
Alec schwankte ein wenig, als Henry und Jake ihn
aufhoben; doch allmählich hörte die Erde auf, sich zu drehen, und sein Kopf
klärte sich. In tiefen Zügen atmete er die Nachtluft ein.
Jim Neville kam herbei. »Alec, mein Junge«,
sagte er, »ich habe in meinem Leben schon viele Ritte gesehen, aber nie etwas
dergleichen!« Er wandte sich an Henry: »Sie hatten recht, Herr Dailey, er ist
das schnellste Pferd, das es gibt. Ich kann kaum glauben, was ich mit eigenen
Augen gesehen habe, aber...« er hielt Henry seine Stoppuhr hin, »das läßt sich
nicht abstreiten!« Mit einem Ruck drehte er sich zu seinem Kollegen um. »Und
nun haben wir beide eine Menge zu tun; also an die Arbeit, Joe.«
»Richtig, Jim.«
»Kommen Sie einmal wieder, wenn’s Ihnen Freude
macht«, sagte Henry. »Sie wissen ja jetzt: hier können Sie ohne Eintrittskarte
das schnellste Pferd der Welt galoppieren sehen.«
Jim zwinkerte. »Wenn es nach mir geht, werden
bald viele Leute das Pferd laufen sehen!«
Alec starrte ihn an. »Im Ernst, Herr Neville,
glauben Sie, daß es gehen wird?«
»Ich kann nichts versprechen, mein Junge«,
antwortete Jim, »aber ich will alles tun, was möglich ist. Das bin ich meiner
Ehre als Reporter schuldig. Schau dir morgen meinen Artikel an. Doch jetzt
müssen wir wirklich gehen. Komm, Joe.«
»Ich komme mit Ihnen und lasse Sie hinaus«,
sagte Jake.
Nachdem sie gegangen waren, nahm Henry den
Knaben beim Arm und schritt mit ihm auf und ab, bis Alec das Blut wieder in den
Beinen kreisen fühlte. »Jetzt bin ich ganz in Ordnung, Henry«, sagte er.
Sie kletterten auf den Wagen. Alec spähte durch
das kleine Fenster hinter seinem Sitz und sah Blitz ängstlich herüberäugen.
»Ja, das war ein prächtiger Ritt«, sagte Alec vor sich hin.
»Ja, hoffentlich gelingt es Jim Neville, Blitz
die Teilnahme an dem Wettrennen zu vermitteln«, bemerkte Henry nachdenklich.
»Das hoffe ich auch«, gab Alec inbrünstig
zurück.
Der folgende Tag war ein Sonnabend. Gleich nach
dem Frühstück lief Alec zum Stall. Henry hatte immer das Morgenblatt des
>Tagesboten<, und wahrscheinlich las er schon Jim Nevilles Artikel.
Tatsächlich saß er lesend draußen, als Alec
herbeikam. »Was hat er geschrieben?« fragte der Knabe gespannt.
Henry reichte ihm lächelnd die Zeitung. »Da,
lies es selbst.«
Alec überflog die Schlagzeile: Sind Donnerkeil
und Zyklon wirklich die schnellsten Pferde der Welt?
»Ja, ich weiß«, schrieb Jim Neville, »ich selbst
habe behauptet, es gäbe auf der ganzen Welt kein Pferd, das den
dynamitgeladenen Zyklon oder gar Donnerkeil schlagen könnte. Ich selbst habe ja
auch den Vorschlag gemacht, die beiden berühmten Preisträger in Chicago
gegeneinander aufzustellen, und darauf hin ist das Wettrennen auf den 26. Juni
anberaumt worden. Bei diesem Rennen sollte die Frage, welches das schnellste
Pferd im Lande ist, ein für allemal entschieden werden. Bisher haben Zyklon und
Donnerkeil bei allen großen Rennen den Sieg davongetragen, und so lag der
Gedanke nahe, sie einmal miteinander starten zu lassen, um zu ermitteln, wem
von ihnen die Palme gebührt.
Diese Frage wird das Rennen in Chicago natürlich
beantworten. Trotzdem wird dort nicht entschieden werden, wer von den beiden
das schnellste Pferd der Welt ist; denn ich habe gestern ein Pferd gesehen, das
beide zu schlagen vermag. Ich darf diese Tatsache nicht verschweigen, weil ja
der Sieger beim Chicago-Rennen als das schnellste Pferd der Welt preisgekrönt
werden soll —
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