Blitz: Die Chroniken von Hara 2
hinter der ahnungslosen Mutter, die mit der Schwarzhaarigen beschäftigt war. Die Haltung der bösen und der guten Zauberin stimmten bis in die kleinste Kleinigkeit überein, nur dass auf den Handtellern der Dunklen keine Blaue Flamme loderte, sondern ein erloschener Schädel dampfte.
Durchtrieben war sie, diese Dunkle, wollte sie doch die Gelegenheit für einen heimtückischen Schlag von hinten nutzen.
Über das Gesicht des Mannes konnte ich nichts sagen, da es in dichtem Schatten lag. Nur die purpurrot glimmenden Augen blickten daraus hervor – und verfolgten das magische Duell.
»Hat dich die Neugier gepackt?«, fragte Shen, der unvermittelt neben mir aufgetaucht war. »Du weißt, wer das ist?«
»Nein.«
»Soritha.«
Hätte ich mir auch denken können, schließlich trug dieser Saal seinen Namen ihr zu Ehren.
»Und die anderen drei?«, fragte ich.
»Das sind Rethar Neho, Thia al’Lankarra und Mitipha Danami. Im Volksmund sind sie als die Verdammten Fieber, Typhus und Scharlach bekannt.«
»Ist das Mitipha?«, wollte ich wissen und zeigte auf die Frau mit dem gelben Gesicht.
»Nein. Mitipha ist die, die vor der Mutter liegt. Diese Gelbgesichtige ist die Mörderin Sorithas.«
Die vom Künstler geschaffene Typhus glich in keiner Weise jener Frau, die Lahen und ich in Hundsgras gesehen hatten. Die einzige Gemeinsamkeit, die ich entdecken konnte, waren die dicken, langen Zöpfe.
»Angeblich hat Scharlach die Mutter abgepasst, als diese nach den Blumen sah«, fuhr Shen fort. »Aber ihre Kräfte reichten nicht aus, um die Mutter zu bezwingen. Hätte Typhus die Mutter nicht hinterrücks angegriffen, wäre die ganze Geschichte vermutlich anders ausgegangen. Wer weiß, ob die Abtrünnigen dann lebend aus Alsgara herausgekommen wären.«
»Soritha hat einfach Pech gehabt.«
»Das stimmt. Sie hat ihrer Lieblingsschülerin zu viel Vertrauen entgegengebracht. Zum Dank dafür hat Typhus sie dann verraten.«
»Das ganze Leben besteht aus Verrat«, bemerkte ich – und sofort fiel mir Moltz wieder ein. »Was hat Rethar mit der Sache zu tun?«
»Seinetwegen hat Typhus die dunkle Seite gewählt.«
»Dann muss sie ihre Gründe dafür gehabt haben«, meinte ich. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich keine der beiden Seiten vorziehe. Die Zwistigkeiten der Magier und Magierinnen sollen mir doch gestohlen bleiben.«
»Kann ich mir vorstellen«, erwiderte Shen. »Dich interessiert nun einmal nur dein eigenes Leben.«
Ich grinste bloß, sagte aber kein Wort. Der Milchbart hatte ja recht. Aber das würde ich ihm nicht unter die Nase reiben.
»Die berühmteste Mutter hat es also in diesem Raum erwischt?«, fragte ich weiter.
»Ja«, antwortete er. »Wenn du dich umdrehst, siehst du auch die Stelle, an der es zu dem Mord gekommen ist.«
Ich folgte der Aufforderung. »Höchst eindrucksvoll«, meinte ich.
Ein Teil der gegenüberliegenden Wand war verkohlt, doch ein strahlend weißer Fleck stellte die Silhouette einer Frau mit erhobenen Armen dar. Das war alles, was von Soritha geblieben war, nachdem Typhus sie verbrannt hatte. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Lahen und mir die gleiche warmherzige Behandlung zuteilwerden würde, sollten wir der Verdammten je in die Hände fallen. Nicht, nachdem sie unseretwegen ihren Körper eingebüßt hatte.
»Und was ist mit diesen Blumen?«, fragte ich und deutete auf einige Schneeglöckchen, die purpurrot waren und einen runden Fleck bildeten.
»Das kann ich dir auch nicht genau sagen. Seit dem Dunklen Aufstand sind sie rot. Einige behaupten deswegen, sie hätten Sorithas Blut in sich aufgenommen.«
Wie romantisch! Selbst die Schreitenden lieben also Legenden über Märtyrer und ihr Blut. Fehlten eigentlich nur noch ein paar Pilger …
»Seit wann interessierst du dich für Malerei?«, fragte nun Lahen, die sich zu uns gesellt hatte. »Noch dazu für so talentlose?«
Auf das Bild warf sie nur einen flüchtigen Blick.
»Gehen wir!«, verlangte Shen daraufhin in kaltem Ton. »Man hat nicht vor, ewig auf euch zu warten.«
Er drehte sich um und eilte zu einer der beiden Türen, die aus diesem Saal voller Schneeglöckchen hinausführten.
Kapitel
3
Es wollte ihr einfach nicht glücken, in die Hohe Stadt vorzudringen. In diesen Teil Alsgaras führte nur ein Tor – das besser als alle anderen bewacht wurde. Dort standen nicht nur die üblichen Gardisten und die Stadtwache, sondern zusätzlich auch noch Schreitende und Glimmende. Bei nur einem Magier oder nur
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