Blitz: Die Chroniken von Hara 2
mit seinem Tod jedoch Thias Leben gerettet hatte, ließ Rowan seinem Hass freien Lauf. Obwohl dieser ihn geradezu verzehrte, forderte er Thia am Ende allerdings nie zum Duell heraus, da sich Talki und Ghinorha strikt gegen einen solchen Schritt aussprachen. Obendrein wusste selbst er in seinem blinden Hass, dass er mit Thia kein leichtes Spiel haben würde.
»Nicht in diesem Ton, Thia!«, keifte Rowan. »Sonst nimmt einer von uns unwiderruflich Schaden.« Dann fuhr er etwas weniger aufgebracht fort: »Was streiten wir überhaupt? Der Grund für meinen Ruf war lediglich, dass ich dich über meine baldige Ankunft in Kenntnis setzen wollte. Wenn alles gut geht, stehe ich in zwei Tagen vor Alsgara.«
»Ich kann’s kaum erwarten.«
»Freust du dich etwa nicht, mich zu sehen?«
»Als ob ich mich je über deinen Anblick gefreut hätte!«, erwiderte sie kalt. »Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum: Wir verachten einander, das wissen alle, du und ich inbegriffen.«
»Wie du meinst.« Daraufhin zog er den Dolch aus der Scheide. »Siehst du das?«
»Blut. Du solltest deine Waffe besser pflegen.«
»Ich habe dich nicht um Rat gefragt! Das ist das Blut einer Schreitenden.«
»Was für eine Großtat!«, schnaubte Thia. »Du hast auch schon früher Schreitende getötet. Was soll an diesem Mord so Besonderes sein?«
»Hilf mir, dann bringe ich noch mehr von diesen Kreaturen um. Dann räume ich den ganzen Turm leer. Damit wir ihn endlich wieder betreten können. Du bist doch noch in Alsgara, oder? Ich wäre dir also dankbar, wenn du mir ein Tor öffnen würdest.«
»Warum kommst du immer wieder auf diese Frage zurück, obwohl du die Antwort bereits kennst? Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Wunderbar.« Er bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln, wischte die Klinge ab und steckte den Dolch in die Scheide zurück. »Ich will dich nicht weiter aufhalten. Das heißt, eine Frage hab ich noch«, bemerkte er, als fiele ihm gerade etwas ein, das kaum von Belang war. »Wie sieht es mit unserer anderen Übereinkunft aus?«
»Da bin ich nicht weitergekommen.«
»Nicht den geringsten Schritt?«, fragte Rowan mit schlecht unterdrückter Wut.
»Richtig.«
»Verkauf mich nicht für dumm, Thia!«, brüllte er, und auf seine Wangen traten rote Flecken.
»Endlich steht der wahre Rowan wieder vor mir«, bemerkte Thia süffisant. »Jähzornig wie eh und je. Zu schade, dass kein Ye-arre in deiner Nähe ist, damit du dein Mütchen an diesem Geschöpf kühlen könntest.«
Eigentlich sollte sie nicht mit dem Feuer spielen, das wusste sie. Andererseits durfte man jemandem, der stärker war, nun einmal nicht die eigene Schwäche zeigen. Deshalb musste sie sticheln wie immer, sonst würde ihr Rowan auf die Schliche kommen – und sie mit Haut und Haar verbrennen.
»Lenk nicht vom Thema ab!«, fauchte er. »Ich brauche dieses Buch!«
»Stell dir vor, das tun auch andere«, spie Thia aus. »Ich zum Beispiel. Oder Talki und Mithipha. Sofern Letztere inzwischen nicht völlig den Verstand verloren hat.« Was, Thias Gesicht nach zu urteilen, jedoch der Fall sein musste. »Ich könnte mir vorstellen, auch Alenari und Ley wären ganz erpicht auf ein Tagebuch des Skulptors, sollten sie von dessen Existenz erfahren. Du siehst, diese Aufzeichnungen wecken Begehrlichkeiten bei vielen, nicht nur bei deiner ach so geschätzten Person.«
Thia beobachtete voller Genuss, wie die breiten Nasenflügel ihres Gegenübers vor Wut erzitterten.
»Nur haben wir, wenn ich mich recht erinnere, eine Abmachung getroffen«, knurrte Rowan. »Und ich will doch nicht hoffen, dass du dein Wort brichst.«
»Mir ist völlig egal, was du hoffen willst oder nicht. Was umgekehrt ja wohl genauso gilt. Zumindest in dieser Frage sind wir uns jedoch einig. Nein, ich habe unsere Abmachung nicht vergessen. Aber ich habe dieses Buch noch nicht gefunden. Alsgara ist groß. Eine solche Suche dauert Monate, wenn nicht gar Jahre. Sollte der Skulptor seine Aufzeichnungen hier wirklich irgendwo versteckt haben, dann an einem besonders sicheren Ort.«
»Ich kann aber nicht Monate darauf warten! Das weißt du genau! In zwei Tagen werde ich Alsgara im Sturm nehmen!«
»Oh, daran hindert dich niemand«, entgegnete Thia. »Nach deinem grandiosen Sieg bleibt uns dann ja noch genug Zeit, dieses Buch zu finden, nicht wahr?«
An diesen Sieg glaubte Thia im Grunde ihres Herzens jedoch nicht. Alsgara in die Knie zu zwingen, das war kein Kinderspiel. Auch Talki ging davon aus,
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