Blitz: Die Chroniken von Hara 2
in ihrer Nähe sein, wenn Talki eintrifft, damit diese nicht in Versuchung gerät …«
Mithipha hatte natürlich keine Ahnung, dass ausgerechnet Thia nicht diejenige war, die der alten Vettel etwas entgegensetzen konnte. Wenn Talki Alenari Schwierigkeiten bereiten wollte, dann würde sie das tun, ganz gleich, ob Thia in der Nähe war oder nicht.
»Was, wenn du dich täuschst?«
»Das wäre nicht so schlimm, wie nachher etwas zu bedauern, meinst du nicht auch?«
Diesmal steckte sogar ein Körnchen Wahrheit in Mithiphas Worten. Würde auch nur eine oder einer aus ihrem Kreis sterben, wäre das für den Krieg verhängnisvoll. Sicher, es gab noch immer die Feldherren aus Nabator, es gab noch immer die Sdisser Nekromanten und die Kommandeure der Shej-sa’nen – aber selbst alle zusammen konnten sie die Verdammten nicht ersetzen. Ohne sie aber würden die Schreitenden einmal tief Luft holen – und das Imperium hätte den Sieg in der Hand.
»So nah am Regenbogental bin ich leider auch nicht. Selbst wenn ich helfen wollte, ich käme zu spät. Du musst dir wohl etwas anderes einfallen lassen.«
»Zu bedauerlich. Dann bleibt mir nichts, als zu beten, dass ich mir all das nur eingebildet habe«, bemerkte Mithipha niedergeschlagen.
Daraufhin zerriss Thia das Geflecht, das die Verbindung aufhielt. Sie wusste, dass nach diesem
dass ich mir all das nur eingebildet habe
noch ein ganzes Dutzend weiterer nichtssagender Phrasen käme. Die sie derart erzürnen würden, dass sie es vorzog, Mithipha nicht länger als unbedingt nötig anzuhören.
Wie konnte diese Graue Maus selbst jetzt, zwei Monate nachdem sie ins Imperium eingefallen waren, noch in der Burg der Sechs Türme hocken? Wieso schloss sie sich nicht Alenari oder Ley an, um ihre eigene Macht auszubauen? Warum sicherte sie sich nicht die Unterstützung von ein paar Auserwählten? Aber nein, alles, was sie interessierte, waren alte, wurmstichige Bücher. Mithipha würde sich sogar mit ihren geliebten Folianten vergraben lassen, wenn nur niemand sie bei ihrer Lektüre störte.
Was natürlich keiner von ihnen beabsichtigte. Schließlich wussten alle, dass Mithipha keine Gefahr, keine Konkurrentin darstellte. Sollte sie also ruhig in alten Papieren wühlen – Hauptsache, sie mischte sich nicht in die Angelegenheiten der anderen ein.
Mitunter fragte sich Thia sogar, wie eine derart gefährliche und durchtriebene Ratte wie Talki eine solch harmlose Schülerin hatte ausbilden können.
Mit finsterer Miene trat sie ans Fenster, um einen Blick auf das Tor zu werfen, das in die Hohe Stadt führte.
Was hatte die Heilerin diesmal ausgeheckt? Welches Spiel spielte sie, wenn sie Rowan das eine erzählte, Alenari das andere? All das war nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick schien. Vor allem war ihr schleierhaft, welchen Vorteil Talki der Tod Alenaris brachte. Jetzt, da jeder Einzelne, jede Einzelne von ihnen vonnöten war.
Aber das würde sie schon herausfinden.
Und zwar bald.
Kapitel
4
Der Saal, in den wir eintraten, war bei aller Größe kleiner, als ich erwartet hatte. Ein runder Raum mit hoher Gewölbedecke und breiten Fenstern, deren obere Hälften in Buntglas ausgeführte Mosaike schmückten, die Ereignisse aus der Geschichte des Turms darstellten.
An den Wänden standen Bänke, die mit blauem Samt bezogen waren. Im Moment saß zwar niemand darauf, aber einhundert Schreitende dürften auf ihnen wohl gut und gern Platz finden. In den eigentlichen Saal führte eine Treppe hinunter, sodass wir hier, unmittelbar am Eingang, einen guten Überblick hatten.
In der Mitte des Raums war auf dem Boden ein Kreis aus schwarzen und weißen Fliesen gelegt. In ihnen prangten sieben Blütenblätter aus dunkelrotem Ton. An ihren Spitzen wuchsen vergoldete Hauer aus dem Boden, die zum Kreis hin gebogen waren.
»Das ist eine Wegblüte«, erklärte Shen. Als er merkte, dass ich nicht darauf reagierte, fuhr er fort: »Anscheinend teile ich dir damit nichts Neues mit. Hast du früher schon mal eine gesehen?«
»Möglich. Und selbst wenn – wäre das ein Verbrechen?«
»Selbstverständlich nicht. Aber Wegblüten kannst du heute an fünf Fingern abzählen. Vielleicht kennst du ja eine, von der wir nichts wissen?«
Da ich nicht die Absicht hatte, ihm von dem geheimen Versteck des Skulptors im Meloth-Tempel zu berichten, brummte ich: »Sieh dich mal in den Ruinen alter Städte um, da entdeckst du schon welche. Aber was versprecht ihr euch eigentlich von den Dingern? Seit
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