Blitz: Die Chroniken von Hara 2
hatte.
»Das soll vermutlich die Kosten für unsere Beerdigung decken. Wie viel ist es wohl?«, fragte ich und nahm ihr das Säckelchen ab, um hineinzuspähen und einen Pfiff auszustoßen. »Das sind bestimmt dreihundert in Gold.«
»Warum sollte sie geizen? Sie darf davon ausgehen, dass ich das Geld nicht zum Fenster hinauswerfe. Und ein paar Soren mehr werden unterwegs kaum schaden.«
»Du sagst es«, bemerkte ich grinsend und warf ihr den Beutel zu.
Geschickt fing sie ihn mit einer Hand auf und verstaute ihn in ihrem Sack. »Das dürfte reichen. Unsere Ersparnisse lassen wir hier. Um das Geld mache ich mir keine Sorgen.«
Obwohl sie von einigen Tausend sprach, machte ich mir ebenfalls keine Gedanken darüber, dazu hatte ich das Geld zu gut versteckt, noch bevor wir uns zu Yokhs Anwesen begeben hatten und anschließend in Gefangenschaft geraten waren.
»Von welchem Geld ist hier die Rede?«, fragte Luk, der gerade ins Zimmer trat. Doch ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Ga-nor und ich haben beschlossen, die Stadt ebenfalls zu verlassen und nach Norden zu gehen.«
»Wollt ihr bei Burg Donnerhauer über die Katuger Berge?«
»Ja«, antwortete Ga-nor, der gerade durch die Tür trat. »Bis dorthin sind die Nabatorer noch nicht vorgedrungen. Hast du was dagegen, wenn wir uns euch anschließen, Grauer?«
Wir hatten ihnen erzählt, unser Ziel läge irgendwo hinter den Bluttälern. Einen Teil des Weges könnten wir also in der Tat gemeinsam bestreiten. Irgendwann müssten Lahen und ich uns aber ins Regenbogental absetzen, während sie weiter nach Loska zögen, um von dort aus zur Festung zu gelangen, die den Westpass der Katuger Berge sicherte.
»Natürlich nicht«, antwortete ich. Beide waren anständige Männer, obendrein handelte es sich bei Ga-nor um einen hervorragenden Krieger. Auch Luk, der häufig so sorglos wirkte, wusste sein Beil notfalls zu führen. »Packt am besten gleich.«
»Schon erledigt.«
»Was ist mit Pferden?«
»Dank Giss haben wir welche«, sagte Luk und schenkte sich etwas Wein ein. »Für euch auch. Was habt ihr dem Turm eigentlich versprochen? Noch vor einer Woche wollten die euch jeden Knochen einzeln brechen, und jetzt überlassen sie euch ihre besten Gäule!«
»Wenn wir nicht Freunde wären, würde ich sagen, dass dich das nichts angeht«, erwiderte ich.
»Und was sagst du jetzt?«, entgegnete er. »Wo wir sogar die besten Freunde sind?«
»Das Gleiche. Es geht dich nichts an.«
Meine Antwort schien Ga-nor zu amüsieren. Luk nahm sie mir jedoch übel und wandte sich an Lahen. »Klärst du mich dann wenigstens auf?«
»Hat dir denn niemand beigebracht, dass du dich nicht in die Belange des Turms einzumischen hast?«, fragte sie ihn lächelnd. »Die Schreitenden mögen das nämlich gar nicht. Je weniger du weißt, desto länger wirst du also leben.«
Daraufhin schmollte er noch mehr. »Na gut, wenn ihr nicht darüber reden wollt – bitte schön«, maulte er. »Worauf warten wir eigentlich noch, wenn alle gepackt haben?«
»Auf Shen. Er sollte schon vor einer Stunde hier sein.«
»Der kommt auch mit?!«
»Stell dir vor, ja.«
»Da platzt doch die Kröte, dann sind wir ja alle wieder zusammen! Hast du das gehört, Ga-nor? Nur Giss fehlt noch. Oder ist der auch mit von …?«
»Das glaube ich kaum«, sagte Ga-nor. »Er wird hier genug zu tun haben. Aber wir sollten uns von ihm verabschieden.«
»Ohne Shen können wir sowieso nicht aufbrechen …«, meinte ich, verstummte aber, als mein Blick auf Lahen fiel.
Sie stand am offenen Fenster und nagte an der Unterlippe, während sie auf das Rauschen des Regens lauschte. Ihre Stirn durchfurchten tiefe Falten.
»Was ist?«, fragte ich so scharf, dass Luk mich erstaunt ansah.
»Ich weiß auch nicht«, antwortete Lahen. »Etwas stimmt hier nicht … dieser Regen …«
»Was ist mit ihm?« Ihre Unsicherheit übertrug sich sofort auf mich.
»Er riecht anders als sonst …«
Prompt trat Ga-nor ans Fenster, stellte sich neben sie und schnupperte gleich einem Tier in der Luft. »Ich rieche nichts.«
Lahen schüttelte verärgert den Kopf und bat ihn, sie nicht abzulenken. Im Zimmer hing angespannte Stille.
»Wir müssen hier weg!«, stieß Lahen aus und wich jäh vom Fenster zurück. »Sofort!«
»Und Shen?«, rief Luk.
»Ins Reich der Tiefe mit Shen! Wir müssen weg hier! Und zwar schnellstens! Ness?«
»Ja, gehen wir!« Ich vertraute ihren Instinkten blind. Bisher hatten sie uns noch nie im Stich gelassen.
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