Blitz: Die Chroniken von Hara 2
sie meiner Freundin. Alle vier. Ich hoffe inständig, sie werden Alia von Nutzen sein.«
Neben den vier Pfeilspitzen fand sich in diesem Bündel aber noch etwas: ein Messer, dessen beinerner Griff über die Jahre gelb angelaufen war. Die Scheide für diese Klinge war jedoch erst vor Kurzem angefertigt worden. Sie verströmte einen Geruch nach Leder, auch die stählernen Nieten funkelten noch.
»Was soll ich mit dieser alten Klinge? Damit erledigt man doch nur eine halb verreckte Springmaus – und auch das nur, wenn sie nicht wegläuft.«
»Die letzte
Springmaus,
die dieser Klinge zum Opfer fiel, war die Aufständische Ossa«, erwiderte Ceyra. Dass dieses kleine Messer fünfhundert Jahre vor dem Dunklen Aufstand im Herzen des Skulptors selbst gesteckt hatte – darüber zog sie es vor zu schweigen. »Du darfst mir glauben, dass sie keinen leichten Tod hatte. Der Funkentöter ist kein Kinderspielzeug. Mit seiner Hilfe wurden bereits viele Seelen, die den dunklen Funken in sich trugen, ins Reich der Tiefe geschickt. Hüte ihn also wie deinen Augapfel!«
Wie hatten zwei Auserwählte, drei Dutzend Shej-sa’nen und fast noch einmal so viele Untote unbemerkt nach Alsgara eindringen können? Diese Frage hatte Thia zunächst keine Ruhe gelassen. Bei all der Mühe, die es sie gekostet hatte, in die Stadt hineinzukommen, hätten diese Wesen doch die Aufmerksamkeit sämtlicher Schreitender auf sich ziehen müssen.
Die Antwort war dann recht einfach: Farid und Esmira waren bereits zwei Monate, bevor die Burg der Sechs Türme gefallen war, nach Alsgara gekommen. Und damals hatte niemand auf zwei Fremde geachtet. Mit den Ascheseelen und den Untoten verhielt sich die Sache schon anders. Dafür waren Verbündete im Imperium selbst nötig. Diese hatten dann die Entourage der Sdisser in geschlossenen Kutschen in die Südliche Hauptstadt eingeschmuggelt. Allzu neugierige Wachtposten bekamen ein Schreiben mit dem Siegel des Statthalters gezeigt (einem echten übrigens, das sie mehrere Tausend in Gold gekostet hatte), um sie von einer eingehenden Inspektion der Wagen abzuhalten. Im Großen und Ganzen hatten diese Soldaten allerdings ohnehin nicht die Absicht, ihre Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken. Ein sattes, ruhiges Leben trägt nun einmal nicht dazu bei, die Wachsamkeit zu erhöhen.
Die ganze Gesellschaft hatte sich dann hier, im Schwarzen Haus, verschanzt, in das nie jemand einen Fuß setzte. Farids Einheit sollte irgendwann den vereinten Streitkräften von Nabator und Sdiss das Tor zur Hohen Stadt öffnen.
Dieser Plan ging auf Ley zurück – der ihn den anderen fünfen gegenüber allerdings nie auch nur mit einem Wort erwähnt hatte. Das war typisch für ihn. Er hatte langfristig seine Vorkehrungen getroffen, für den Fall, dass
er
die harte Nuss von Alsgara knacken musste.
Aber nun kämpfte Ley im Osten, während Rowan auf die Stadt vorrückte. Ob Ley ihm inzwischen etwas von dieser Empfangsgarde erzählt hatte? Wohl kaum. Denn Ley war ein alter Bär, der niemanden in seinen Bau ließ. Was jedoch nicht hieß, dass diejenigen, die sich hier im Schwarzen Haus aufhielten, Rowan nicht ebenso helfen würden, wie sie es bei Ley getan hätten.
Obendrein hatte Farid ihr berichtet, dass sich in Alsgara noch weitere Einheiten aufhielten, zu denen mindestens dreißig Auserwählte gehörten. Allerdings wusste er nicht, wo sie sich versteckten, denn jede Gruppe ging unabhängig von den anderen vor. Immerhin konnte er ihr jedoch mit Sicherheit sagen, dass die Stadtwache bislang noch keine dieser Gruppen aufgespürt hatte, sonst hätte sie nämlich bereits die ganze Stadt auf der Suche nach weiteren durchkämmt.
Farid und Esmira hatten die letzten Vorbereitungen für das bevorstehende Ritual getroffen. Der Saal im obersten Stockwerk bot ihnen freie Sicht auf den Turm. Von der Decke baumelte wieder der bereits gehäutete und leicht stinkende Tote herab. Farid blätterte mit schlanken Fingern in einem Buch, Esmira rutschte auf den Knien über den Boden, um mit Kohle eine riesige Pyramide der Stabilität sowie sechzig Runen der Unterwerfung zu zeichnen. Die Pyramide feite den Zauber gegen jeden Angriff, die Runen verbanden das Wesen, das beim Ritual geschaffen werden sollte, unverbrüchlich mit dieser Welt.
Kaum erblickte Farid Thia, da schlug er das Buch zu und verneigte sich tief: »Wir sind fast fertig, es fehlen nur noch wenige Zeichen. Wann sollen wir anfangen?«
»Noch nicht. Warte auf meinen Befehl«, antwortete Thia,
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