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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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ein berufsmäßiger Reiter, ein Könner, vermochte so im Sattel zu sitzen wie dieser Mann. Er hielt sich gerade, folgte aber geschmeidig den Bewegungen der Stute, deren federnde Schritte den Boden kaum zu berühren schienen.
    Roß und Reiter waren miteinander verwachsen, die Hilfen, die der Reiter gab, waren unmerklich, ein Laie hätte glauben müssen, die Stute vollführe ihre graziösen Gänge und Wendungen wie durch einen Zauber gelenkt.
    Alecs Herz pochte vor Entzücken. Er hatte den Eindruck, ein Geisterroß tanze vor seinen Augen die Figuren der Hohen Schule! Hier, tief in der Einöde der Everglades, bot sich ihm der Anblick eines vollendet dressierten Pferdes! Es war nicht zu fassen! Noch nie hatte er in Amerika bei Zirkusvorführungen ein so perfektes Schulpferd gesehen. Nur auf seinen Europareisen hatte er in der Spanischen Hofreitschule in Wien die Kunst der Lipizzaner bewundern dürfen, und dies hier glich jenen Leistungen zum Verwechseln !
    Die Stute allerdings war kein Lipizzaner, sie entstammte offensichtlich mehreren Rassen, nicht zuletzt hatte sie arabisches Blut.
    Der Reiter ließ sich nicht anmerken, ob er wußte, daß er beobachtet wurde. Wie eine Statue saß er im Sattel, mit unbewegtem Gesicht, als trüge er eine Maske. Seine Hilfen gab er dem Pferd nach wie vor unmerkbar, nur einmal sah Alec eine Bewegung an ihm, als der Mann die Hand hob, um seinen Hut fester auf den Kopf zu drücken.
    Wie verzaubert wohnte Alec hier in dieser Wildnis einer Darbietung vollkommener Reitkunst bei. Die Stute umrundete die Wiese im spanischen Schritt, zeigte die Pirouette links, die Pirouette rechts, die Passage, den Galopp im Schulter-herein (Plié), dann die sogenannten »Schulen über der Erde«: die Pesade, die Levade, Courbette, Croupade, Ballotade und den vollendetsten und schwersten Schulsprung, die Kapriole.
    Alec vergaß, daß er den Reiter auf den ersten Blick seiner Kleidung wegen beinah für einen Farmer aus der Gegend gehalten hatte — er war ein Künstler! Ein Berufsreiter von höchstem Können, ein Experte!
    Nach dem letzten Sprung wurde die Stute angehalten, und Blitz schmetterte sein helles, werbendes Hengstwiehern durch die Stille des Sumpflandes. Die silberfarbene Stute wandte den Kopf anmutig zu ihm hinüber und antwortete ihm, während der Reiter den Eindringlingen keinen Blick gönnte.
    Blitz scharrte heftig und wieherte erneut. Alec versuchte jetzt nicht mehr, ihn zum Schweigen zu bringen, denn jetzt blickte der Reiter herüber und nahm langsam grüßend seinen breitrandigen Hut vom Kopf. »Hallo!« sagte er mit sehr tiefer Stimme und einem fremden, offenbar französischen Tonfall.
    Alec rührte sich nicht von der Stelle, denn er erinnerte sich an Henrys strikte Weisung, Blitz um keinen Preis an eine Stute heranzulassen. Jedoch näherte sich ihm jetzt der dunkelhäutige Mann; sein Pferd berührte den Boden mit so leichten, elastischen Schritten, als schwebte es. Er mußte wohl über einen Meter achtzig groß sein, sein Körper wirkte schwer, aber tierhaft geschmeidig, er war muskulös und hatte kein Gramm Fett zuviel. Seine Haltung war hochmütig; zweifellos war er ein Weltmann, der sich nur zufällig in dieser Abgeschiedenheit aufhielt. Aber was mochte ihn dazu veranlaßt haben?
    Alecs Griff an Blitz’ Halfter wurde fester, denn der Hengst begann unruhig zu werden, als die Stute näher kam. Die Augen des Mannes wanderten forschend von Alec zu seinem Pferd. Kein Wunder, daß er erstaunt war, in dieser Einöde einen Zuschauer zu treffen, der obendrein ein Berufskollege zu sein schien, denn wie wäre er sonst an ein so ungewöhnliches Pferd wie diesen Rappen gekommen?
    Ganz gleich, was aus dieser Begegnung entstand — jetzt konnte Alec nicht mehr ohne weiteres fort, er mußte dem Mann Rede und Antwort stehen. Er sagte höflich: »Ich habe Ihnen mit großer Freude zugesehen! So eine vollendete Darbietung der Hohen Schule habe ich seit meinem Besuch in Wien nie wieder erlebt!«
    »Soso, Sie kennen die Lipizzaner«, sagte der Mann mit tiefer Stimme. »Nun, die Hohe Schule ist eine jahrhundertealte Kunst.« Seine Augen musterten dabei nicht Alec, sondern Blitz. Sein Gesicht blieb unbeweglich, und doch leuchtete die Bewunderung des Pferdekenners darin auf.
    Der Hengst schoß plötzlich auf die Stute zu, nur unter Aufbietung aller Kraft brachte Alec es fertig, ihn zurückzureißen, allerdings erst, nachdem die beiden Pferdekörper aneinandergeprallt waren. Er redete eine Weile beschwichtigend auf

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