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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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Vollmond stieg gerade am fernen Horizont auf. In südwestlicher Richtung konnte Alec im fahlen Licht den buckligen Umriß eines Hammocks erkennen. Das mußte der Hammock sein, den der Hauptmann als Wohnstätte des Sumpfgottes Kowi bezeichnet hatte.
    Alec war mit sich selbst im Zwiespalt. Ganz gewiß glaubte er nicht an diese phantastischen Geschichten, die ihm der dunkelhäutige Mann aufgetischt hatte; aber er wußte, daß seine lebhaft arbeitende Einbildungskraft doch für derlei Märchen empfänglich war. Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung. Wie schön war diese Nacht! Diese tiefe Stille, diese schier endlose Fläche des sägegrasbewachsenen Sumpfes, aus dem nur hie und da die Inseln herausragten — schweigend, voller Geheimnis, eine Welt, die in der Tat mehr der Nacht angehörte als dem hellen Tag! Hier in den Everglades mußte die Natur immer und ewig stärker bleiben als der Mensch, ganz gleich, wie viele Entwässerungskanäle er zog, mit welcher Zähigkeit er der Wildnis Meter um Meter abrang — am Ende würde sie stärker sein und ihm widerstehen.
    Alec kam der Gedanke, wie widersinnig es war, daß er am Tage Furcht vor dem Sumpfland empfunden hatte, jetzt in der Nacht aber nicht mehr, weil ihn die tiefe Stille und der Frieden dieser grandiosen Urnatur gefangennahmen. Er lauschte. Jeder Laut wurde hier meilenweit über die ebene Fläche getragen. Aber nichts war zu hören, kein Vogelschrei, kein Echo. Er war allein, der weite Sumpf beachtete seine Anwesenheit nicht oder nahm ihn vielleicht als Freund an.
    Nach diesem schönen und beruhigenden Eindruck glaubte Alec, einschlafen zu können. Er trat vom Fenster zurück und legte sich in den Kleidern aufs Bett. Er schloß die Augen, auf den Schlaf wartend. Nach dem langen, anstrengenden Tag war er jetzt redlich müde.
    Er wußte nicht, wie lange er gelegen und ob er geschlafen hatte oder nicht, als er plötzlich merkte, daß ihn ein Augenpaar anstarrte. Eine erschreckende Kälte ging davon aus. Alec dachte, der Hauptmann wäre ins Zimmer gekommen, und fragte: »Was wünschen Sie?« Er wollte aufstehen, war aber nicht imstande, ein Glied zu rühren. Er sagte sich, es müßte ein Traum sein. Aber noch nie hatte er so lebhaft geträumt.
    Wieder bemühte er sich, aufzustehen, doch er vermochte sich nur hin und her zu wälzen und kam nicht hoch. Ebensowenig war er imstande, seinen Blick von den Augen abzuwenden, die ihn unheildrohend anstarrten. Er hatte das Gefühl, daß sich etwas Lebendiges im Zimmer aufhielt, konnte aber nicht ausmachen, ob es der Hauptmann war. Mit aller Macht wünschte er sich, aufstehen und davonlaufen zu können, aber es war ihm unmöglich. Sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, aufzuwachen und den abscheulichen Alpdruck abzuschütteln. Er öffnete den Mund, doch es kam kein Laut heraus, obwohl er sich übermenschlich anstrengte, zu schreien. Verzweifelt kämpfte er gegen die Lähmung an, die ihn befallen hatte, warf sich im Bett hin und her; aber er war hilflos unter dem Blick der grausamen Augen, die ihn nicht losließen.
    Merkwürdigerweise vermochte er im Traum ganz klar zu denken, wie er es niemals für möglich gehalten hätte. Sein Unterbewußtsein mußte ihm einen Streich spielen, indem es ihn de Villas hypnotischen Blick wiedererleben ließ.
    Er gab den Kampf auf und wehrte sich nicht mehr gegen die Verkrampfung seiner Muskeln. Wenn er nur das Gesicht hätte erkennen können, zu dem die Augen gehörten!
    Er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Ihm schien es, als wäre ein mißgestalteter Kopf über ihn geneigt und näherte sich ihm Zentimeter um Zentimeter. Ein süßlicher, erstickender Geruch ging von ihm aus. Keuchend drehte und wendete sich Alec, und endlich gelang es ihm, die Hände zu heben und schützend vor sein Gesicht zu halten. Zum erstenmal brachte er jetzt auch Worte über die Lippen, doch wußte er weder, was er sagte, noch erkannte er seine gepreßte und unnatürlich klingende Stimme.
    Auf einmal wurde er ohne Übergang hellwach. Die Bettlaken waren klitschnaß, und sein Atem ging in Stößen, als er nach Luft schnappte. Verstört sah er sich um — er war allein im Zimmer. Der Mondschein ermöglichte es ihm, festzustellen, daß wirklich niemand da war.
    Er taumelte aus dem Bett, rannte zum Waschbecken und tauchte den Kopf in kaltes Wasser. Es ist niemand hiergewesen! sagte er sich wütend.
    Das Erlebnis war vernunftmäßig durchaus erklärbar. Durch die wüsten, phantastischen Erzählungen

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