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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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starrende Augen, verkrampfte Glieder, Körperteile, erkennbare und unwirkliche... Die Luft im Zimmer wurde beklemmend. Diese Zeichnung mußte das Werk eines Menschen sein, dessen Vorstellungskraft vom Unbewußten gelenkt worden war. »Nun, was sehen Sie?« fragte der Hauptmann begierig und wiederholte die Frage, als Alec nicht gleich antwortete.
    Alec starrte auf das Blatt wie auf ein Bilderrätsel, das man unmöglich lösen konnte.
    »Wie viele Gegenstände erkennen Sie?«
    »Ich kann es nicht sagen«, murmelte Alec nach einer Weile, obwohl er mehrere Dinge erkannt hatte: Ein geöffneter Mund sprach lautlose Worte zu ihm. Ein mißgestaltetes Gesicht, einem Pferdekopf nicht unähnlich, wurde um so grauenhafter und furchterregender, je länger er es betrachtete. Ein einzelnes Auge schielte ihn vom linken unteren Rand des Blattes bösartig an. Er konnte den Teil einer Mähne und einen einzelnen Huf ausmachen. Alles schien sich auf magische Weise zu bewegen. Da gab es schlaffe Mäuler, die offenstanden und trieften, Teile eines menschlichen Skeletts, Tierkadaver — noch vieles war in der Zeichnung versteckt. Wenn man lange genug hinsah, konnte man es erkennen.
    »Kowi existiert in verschiedenster Gestalt«, erläuterte der Hauptmann. »Jede Generation hat ihn anders geschildert.«
    Alec sah von der Zeichnung auf und starrte ihn mit leerem Blick an.
    »Im Südwesten von hier ist ein buckliger Hammock, und dort soll Kowi gemäß den Aufzeichnungen hausen. Ich bin mit Omar einmal am Tage dort gewesen. Der Weg ist beschwerlich, aber da ein großer Teil des Sumpfes dort schon trockengelegt ist, kann man zu Fuß hingelangen. Sehen Sie, Alec, auch das ist ein Zeichen, das ich nicht außer acht lassen darf.«
    Alec überlief ein Schauder. Er vermochte es nicht zu fassen, daß ein normaler, erwachsener Mensch fest an Zeichen und unwirkliche Dinge glaubte und bereit war, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um ihnen zu folgen. Nach Alecs Ansicht hing de Villas Schicksal davon ab, daß er sich dank seinen Fähigkeiten nicht in der Sägegraswildnis verirrte und nicht im bodenlosen schwarzen Sumpf versank. Alec fragte ungläubig: »Und Sie meinen, dort werden Sie Kowi finden?«
    De Villa zuckte die Schultern. »Genaues weiß ich natürlich nicht, aber alle Zeichen weisen auf den Buckelhammock hin, deshalb will ich Kowi dort suchen.« Aus seiner Stimme klang restlose Schicksalsergebenheit, und zum erstenmal tat er Alec leid.
    »Aber wenn dieser Dämon oder Sumpfgott so gefährlich ist, dann könnte das doch Ihren Tod bedeuten?« fragte Alec.
    Der Hauptmann schloß die Augen. »Sollte ich diesen weiten Weg geführt worden sein, um hier zu sterben? Würde ich es nicht fühlen, wenn es so wäre?« flüsterte er und fuhr dann beinahe unhörbar fort: »Meine Pläne kann und darf ich nicht mehr ändern, selbst wenn ich ein Zeichen empfinge, daß mir Unheil droht. Ich könnte ihm doch nicht mehr ausweichen. Es ist zu spät.«
    Alec wandte sich schaudernd ab. Es bestand nicht der geringste Zweifel, daß der arme Mann jedes seiner Worte glaubte. Er klammerte sich an die finstere Welt des Geheimnisvollen, die ihn wie seine Vorfahren seit der Kindheit beherrschte. Für jeden aufgeklärten Zeitgenossen des zwanzigsten Jahrhunderts wäre die Legende von Kowi ein Märchen, aber für de Villa entsprach sie der Wirklichkeit. Er ließ sich von seinem Ziel nicht abbringen, und wenn es seinen Tod bedeutete.
    Alec blieb regungslos auf seinem Stuhl sitzen, während der Hauptmann die ausgebreiteten Blätter einsammelte und sorgfältig in dem Koffer verschloß. Als er damit fertig war, stand Alec auf und sagte höflich: »Wenn Sie erlauben, Herr Hauptmann, werde ich jetzt zu Bett gehen. Ich bin sehr müde und möchte morgen möglichst früh aufbrechen.«
    De Villa drehte sich zu ihm um. »Selbstverständlich habe ich nichts dagegen. Ich habe viel von Dingen geredet, die für Sie neu, fremdartig und erschreckend sein mögen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
    »Auch Ihnen eine gute Nacht und nochmals Dank für Ihre Gastfreundschaft«, verabschiedete sich Alec. Er wußte sehr genau, daß er lange Zeit brauchen würde, um einschlafen zu können — falls es ihm überhaupt gelang! Doch er wollte wenigstens liegen und sich ausruhen, während er auf die Morgendämmerung wartete.

Der Alptraum

    Alec stand am geöffneten Fenster seines Schlafzimmers im oberen Stock und starrte in die Nacht hinaus. Die Sterne schimmerten am tiefdunklen Himmelszelt, und der

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