Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
nicht tun, denn sie ist so außergewöhnlich und für Sie so neu, daß Sie Schaden erleiden könnten...«
    »Aber warum erzählen Sie es mir dann?« Alec rief sich ins Gedächtnis, daß die Haitianer für ihren abstrusen Aberglauben bekannt waren.
    »Ich könnte nicht einmal genau sagen, warum«, antwortete de Villa grübelnd. »Vielleicht einfach darum, weil Sie nun einmal hier sind, weil ich mich zu Ihnen hingezogen fühle, oder weil Sie ein Pferdefachmann sind. Es ist ja alles vorbestimmt... Die Zeichen werden Ihnen den Weg gewiesen haben, genauso wie mir.«
    Alec senkte wieder den Blick, denn der Hauptmann wirkte wie ein Mensch, der zu einem großen Abenteuer aufgebrochen ist und alles hinter sich gelassen hat. Alec empfand durchaus nicht den Wunsch, ihm in seine abwegigen Bereiche zu folgen. Er überlegte zum dutzendsten Male, was er tun sollte. Um keinen Preis durfte er diesen unberechenbaren Mann reizen; er mußte sich an die Überzeugung klammern, daß de Villa ihm nichts Böses tun wolle, und diese seltsamen Geschichten von übernatürlichen Dingen einfach über sich ergehen lassen. Er wagte eine Frage zu stellen: »Hat denn Ihre Legende etwas mit Pferden zu tun?«
    »Sogar sehr viel!« rief der Hauptmann. »Meine Vorfahren sahen Pferde als Götter an, die in Tiergestalt auf die Erde zurückgekehrt waren. Vor den berittenen Spaniern flüchteten sie entsetzt, weil sie sie für übernatürliche Wesen hielten, die Macht über die Pferdegötter hatten.« Er schaltete eine Pause ein und strich sich versonnen das volle schwarze Haar zurück.
    »Wie dem auch immer sei«, fuhr er fort, »mein großer Ahnherr, der de Aviles als Pfadfinder diente, wußte, daß Pferde nur Tiere sind. In seiner Aufzeichnung steht, daß er sich ein solches Tier leidenschaftlich wünschte. De Aviles versprach ihm ein Pferd unter der Bedingung, daß er seine eigenen Leute betrügen und die Spanier hier in das Sumpfgebiet führen würde, wo sich die Kariben versteckt hielten. Er tat es unverzüglich und ohne Gewissensbisse. Als die Kariben in ihren letzten Schlupfwinkeln angegriffen wurden, riefen sie in ihrer Not Kowi zu Hilfe. Sie flehten ihn an, die zu vernichten, die Gewalt über die göttlichen Pferde hatten. Die Urkunden überliefern, daß Kowi die Eindringlinge im Sumpf umkommen ließ. Das schlimmste Schicksal von allen aber erlitt mein Vorfahre; ihn traf Kowis Fluch, der bis zum heutigen Tag auf meiner Familie lastet. Schrecken und Leiden sollten für immer über uns kommen, die grausamer sind als der Tod selbst.«
    »Das ist kindischer Unsinn!« erklärte Alec überzeugt.
    »Ich würde genauso denken wie Sie, wenn mich mein Großonkel Omar nicht vom Gegenteil überzeugt hätte. Als ich vor einem Monat nach Haiti gelangte, lag er im Sterben. Ich fand ihn am Boden seiner Hütte, den Körper im Todeskampf verkrampft. Seine Haut fühlte sich kalt an. Ich hielt ihn für tot. Doch als ich seine Augenlider hob, schaute er mich angstvoll an. Er begriff sofort, wer ich war. Seine verkrampften Muskeln lösten sich, und er sprang auf die Füße. Ich wußte kaum, wie mir geschah, als er mir die Statuette entriß, die ich ja immer in der Hand halte, wenn ich unsicher, ängstlich oder erregt bin. Ich versuchte, ihm meinen Talisman zu entwinden, erklärte ihm, daß ich nur gekommen wäre, um ihn als meinen Verwandten zu besuchen. Aber er fuhr fort, mich anzustarren, als ob ich das Zeichen des Todes an mir trüge. Mir kam in diesem Augenblick zu Bewußtsein, daß seine verzerrte Haltung vorher ganz der meiner kleinen goldenen Statuette geglichen hatte...
    In monotonem Singsang fing Omar dann an zu sprechen. Ich konnte ihn nicht richtig verstehen, es klang so, als ob er mich vor etwas Entsetzlichem warnen wollte, vor dem es kein Entkommen gab, wenn ich nicht sofort nach Europa zurückreiste... Aus seinem Wortschwall konnte ich nur ein paar verständliche Sätze ausmachen, und die Worte >Kowis Fluch<, die er immerzu wiederholte.
    Ich hatte nach einiger Zeit das Gefühl, daß es gar nicht wichtig für mich war, sein Gestammel zu verstehen. Mir schwindelte, als ob ich dicht vor einer Ohnmacht stünde, was ich noch nie erlebt hatte. Ich war ganz aufgewühlt, Blitze zuckten vor meinen Augen, meine Ohren dröhnten von dem monotonen Gerede.
    Wie lange dieser Zustand anhielt, weiß ich nicht; aber als ich wieder zu klarem Bewußtsein kam, saß ich meinem Verwandten auf dem Lehmboden gegenüber, mit untergeschlagenen Beinen genau wie er und vertraulich mit

Weitere Kostenlose Bücher