Blitz legt los
ebenso hart.
„Wieviel Gewicht trägt dein Pferd heute, Mike?“
„Hundertzehn Pfund“, war die Antwort, „zwanzig Pfund weniger als deins. Das bedeutet nach meinen Erfahrungen, über den Daumen gepeilt, daß du ein um fünf Längen besseres Pferd reitest.“
Alec lächelte. „Demnach rechnest du je Pfund eine Halslänge?“
Der alte Jockey wendete sein faltiges Gesicht Alec zu. „Eine reichliche Halslänge, Junge! Ein Viertel einer Körperlänge für jedes Pfund, und vier Pfund für eine ganze Länge. Es gibt kein besseres Maß als dieses für die Distanz von 1400 Meter aufwärts.“
„Nach dieser Rechnung müßten die zwanzig Pfund, die Blitz mehr trägt, dafür sorgen, daß wir zu gleicher Zeit das Ziel passieren. Für dich also keine Ursache, zu trauern.“
„Das denkt der Handicaper — ich nicht.“ Mike wandte sich wieder seinem Schrank zu. „Ich sage die Wahrheit, wenn ich sage, daß Blitz mehr als fünf Längen besser ist als jedes andre Pferd in diesem Rennen. Doch werbin ich schließlich, um klüger sein zu wollen, als der gute, schwer arbeitende Mann im Rennbüro, der sein Bestes tut, um das Gewicht gerecht zu verteilen?“
Einige der Jockeys gingen hinaus, um im zweiten Rennen dieses Tages zu reiten. Alec wußte, daß erjetzt nicht mehr lange zu warten brauchte. Henry und Napoleon geleiteten Blitz wohl bereits zum Sattelplatz.
Als er fertig war, blickte er wieder zu Costello hinüber. Er beobachtete, wie er seine hautengen weißen Nylonhosen überzog. An der Schranktür hing das Jockeyhemd in Blau und Gold des berühmten Milkyway-Stalles, dem Casey und der Graf von Sykes gehörten. Alec wußte, daß ein so großer und bekannter Stall das Schnelligkeits-Handicap sicher nicht bestreiten würde, wenn er keine gute Siegeschance hatte, mochte Mike sein Pferd auch als langsam bezeichnen. Er war begierig, gegen Costello zu reiten, besonders nach all dem, was Henry von ihm erzählt hatte.
„Es hat niemals einen Reiter gegeben, der mehr mit Köpfchen ritt als Mike“, hatte Henry gesagt und hinzugefügt: „Aber nur wenige, mit Ausnahme der Trainer, merkten das. Mike tat während des Rennens niemals etwas, was ihn auffällig gemacht hätte. Nein, er machte seine Vorstöße so schnell und war stets so plötzlich an der Spitze, daß sich die Leute auf den Tribünen wunderten, weil sie sein Vorschießen gar nicht bemerkt hatten. Und den Jockeys ging es nicht anders. Außerdem tat er nie etwas Unerlaubtes. Er benahm sich anständig und fair denen gegenüber, deren Konkurrent er war, und er befolgte die Anordnungen seiner Trainer besser als jeder andre Reiter, den ich je gekannt habe. Nie versuchte er zu beweisen, daß er schlauer war als der Trainer, der ihm ein fit trainiertes Pferd zum Reiten anvertraute; daher war er stets beliebt bei allen, den Besitzern, den Trainern und seinen Kollegen. Ich bin überzeugt, daß das heute noch so ist. Aber wenn du jemals in einem Rennen gegen ihn reiten mußt, dann sei auf der Hut! Sonst wirst du dich plötzlich an der ungünstigsten Stelle finden, ohne zu wissen, wie du dahin gekommen bist. Vergiß niemals, daß er jeden Trick kennt! Bei ihm ist das Reiten eine Kunst, nicht nur Talent. Er war von jeher schlau und hat ein Leben lang gelernt, im Rennen jede Möglichkeit auszuschöpfen. Da er körperlich in ausgezeichneter Verfassung ist, kann man wohl sagen, daß er heute ein gefährlicherer Gegner ist als jemals zuvor. Ich wünschte, ich könnte noch einmal gegen ihn antreten!“
„Nun, ich werde aufpassen“, sagte Alec unwillkürlich laut vor sich hin.
„Was sagtest du?“ fragte der drahtige kleine Mann.
„Oh, nichts Besonderes“, antwortete Alec. Er ergriff seine Schutzbrille und befestigte sie an seiner weißen Kappe, die er dann aufsetzte. „Ich habe bloß zu mir selber gesprochen.“
Michael Costello zuckte die Achseln, aber seine wachen Augen straften seine zur Schau getragene Uninteressiertheit an Alec Ramsay und dem bevorstehenden Rennen Lügen.
Alec verschloß seinen Schrank und folgte den schon vorangegangenen Kollegen, die ebenfalls im dritten Rennen ritten. Er wußte, Michael Costello würde dicht hinter ihm kommen.
Vier Pfund gleich einer Pferdelänge!
Blitz zeigt, was er kann
Dreißig Minuten vor dem Start betrat Alec den Wiegeraum und stellte sich in der Reihe der Jockeys an, die sich für das dritte Rennen auswiegen ließen. Acht Reiter standen vor ihm, also fehlte nur noch Costello. Doch gleich darauf kam auch er und stellte
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