Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
haben würde, um meine eigne Haut zu retten, falls er mich einmal in die Ecke gedrückt hätte.«
    Am andern Ende des Stalls hob Vulkan jetzt den Kopf über die Boxentür. Als er Henry und Alec erblickte, schnaubte er und zog sich wieder zurück.
    »Ich bin trotzdem sicher, daß wir ihn an uns gewöhnen können, Henry«, sagte Alec. »Es ist doch ausgeschlossen, daß er monatelang bei uns lebt, ohne eines Tages endlich Zutrauen zu gewinnen! Zutrauen und am Ende — Liebe!«
    Henry sah Alec an; er wußte nicht, sollte er ehrlich seine Meinung sagen oder sie rücksichtsvoll für sich behalten? Doch dann entschloß er sich zu sprechen: »Alec, wir stecken ja nun mal beide in der Sache drin, schleppen sie sozusagen beide auf unserm Buckel. Deshalb ist es das beste, ich schenke dir reinen Wein ein und sag dir ehrlich, was ich von Vulkan halte.« Er hielt inne und winkte Alec, mit zu den Stühlen in der Ecke zu kommen und sich niederzusetzen. »Siehst du«, fuhr er fort, »mein ganzes Leben habe ich mit Pferden zu tun gehabt, sowohl mit Vollblütern als auch mit andren Schlägen. Aber dies hier ist das erste Mal, daß ich wegen eines Pferdes restlos verzagt bin! Ich erinnere mich genau, wie unbändig Blitz war. Aber ich erinnere mich auch, daß er dich liebte — weil du auf der einsamen Insel sein einziger Kamerad warst und ihm dort Futter verschafftest, als er am Verhungern war. Und weil er dich liebte, folgte er dir; deshalb brauchte ich beim Training nie um dich besorgt zu sein. Mit Vulkan steht die Sache ganz anders — er liebt dich nicht! Er liebt niemand, er haßt sogar den harmlosen alten Napoleon, zu dem Blitz vom ersten Tag an freundlich war. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß Vulkan überhaupt nicht imstande ist, jemand zu lieben, weil er...«
    »Das hättest du von Blitz vielleicht auch behauptet, wenn du ihn gekannt hättest, bevor wir auf der einsamen Insel zusammen waren!« unterbrach Alec ihn lebhaft.
    »Gut möglich«, stimmte Henry zu. »Ich kann mir sogar denken, daß du mit deiner Geduld und großen Liebe eines Tages auch Vulkans Vertrauen gewinnst! Ich hoffe das von ganzem Herzen, aber — ich hege schwere Zweifel, denn meiner Meinung nach ist Vulkan ein Rückschlag auf das Wildpferd, das Blitz’ Vater gewesen ist. Du erinnerst dich, daß man uns in Arabien erzählt hat, Scheich Abu habe diesen Hengst mit keinem Mittel bei seiner zahmen Herde halten können; er ist immer wieder ausgebrochen und lebt wahrscheinlich heute noch wild und frei dort in den Bergen. Wohl hatte auch Blitz diese Wildheit in sich, aber Vulkan hat sie in überaus verstärktem Maß! Sieh dir nur seine tückischen Augen an; darin kannst du es deutlich lesen. Die Wildnis lodert in ihnen, unzähmbar! Jetzt können wir noch mit ihm fertig werden, aber in einigen Monaten, wenn er so weiterwächst, nicht mehr! Die Holzwände seiner Box werden nicht stark genug sein, ihn zu halten — denke an meine Worte!«
    Alec hielt die Hände in seinem Schoß verkrampft, als Henry verstummte, und starrte auf den Fußboden. »Aber was sollen wir dann tun?« fragte er schließlich mit gepreßter Stimme, ohne aufzublicken.
    »Ich weiß gar keinen Rat«, erwiderte Henry.« Es ist dein Pferd. Ich habe dir nur gesagt, was ich von ihm halte, weil du der Wahrheit ins Auge sehen mußt. Vulkan ist ein ausgesprochen gefährliches Pferd. Ich denke mit Schauder daran, daß du im kommenden Sommer versuchen willst, ihn zuzureiten! Ich denke auch an deine Eltern, mein Junge. Sie haben dir freie Hand gelassen in allem, weil sie davon überzeugt sind, daß du richtig handeln wirst. Ich möchte bei Gott nicht, daß dir etwas passiert.«
    »Dann meinst du also, daß sich Vulkan niemals bändigen lassen wird?«
    »Alec!« Der alte Mann legte seine schwielige Hand auf des Jungen Knie. »Du kannst mit deiner Reitkunst vor den Besten bestehen, und du hast die richtige Art, mit Pferden umzugehen, das sagte ich schon. Aber all das wird dir bei diesem Unhold nichts nutzen, denn du mußt bedenken, daß es ja nicht genügt, wenn es dir gelingt, dich nur eben auf seinem Rücken zu halten. Du mußt das Pferd ja vollständig in die Hand bekommen, so daß es die Wut, die in ihm steckt, nicht mehr austobt. Das ist schon notwendig, wenn du allein mit ihm bist, geschweige denn, wenn du mit ihm auf die Rennbahn unter andre Pferde willst. So wie Vulkan veranlagt ist, wird er dann kämpfen wollen; er wird jeden anderen Hengst attackieren. Das steckt in ihm, Alec, in jedem

Weitere Kostenlose Bücher