Blitz schickt seinen Sohn
schwarzen Haare, die er in einzelnen Kettengliedern entdeckt hatte. Kurze schwarze Haare, die von Vulkans Fell stammen konnten! Er schüttelte den Kopf: Henry hatte doch wohl diese Kette nicht für sein Pferd gebraucht — er konnte es doch nicht damit geschlagen haben? Grübelnd verließ er den Stall. Sein Gesicht zeigte tiefe Betroffenheit, als er durch den Schnee hinüber zu seinem Elternhaus ging.
ACHTES KAPITEL
Rückschlag auf wilde Ahnen
Am nächsten Morgen war Henry der erste im Stall. Er hielt inne, als er die Fußspuren im Schnee entdeckte, die vom Tor zum Stall und wieder zurück führten. Er folgerte, daß Alec nach Hause gekommen und mitten in der Nacht sogleich zum Stall gegangen war. Der alte Mann blieb einige Minuten mit traurigem Gesicht stehen, ohne sich zu rühren. Dann betrat er mit schweren Schritten den Stall. Napoleon wieherte ihm freundlich entgegen, aber Henrys Augen flogen zu Vulkans Box hinüber. Vielleicht war es das beste, daß Alec sein Pferd gleich allein besucht und selbst erlebt hatte, wie es sich benahm. Das war einfacher, als wenn er es ihm hätte beschreiben müssen. Henry brachte Napoleon Wasser und ging dann zu Vulkan, der schnaubend den Kopf schüttelte, als er sich der Box näherte. Henrys Augen streiften die am Pfosten hängende Kette; dann schob er den Türriegel zurück und wartete. Das Fohlen trampelte hin und her und starrte ihn dabei tückisch an. Sowie sich die Gelegenheit ergab, trat er ein, und mit einer Gelenkigkeit, die man weder seinem Alter noch seiner untersetzten Gestalt zugetraut hätte, glitt er vor und packte Vulkans Halfter. Das Fohlen wehrte sich im ersten Moment, stand dann aber still. Vorsichtig führte Henry es aus der Box hinüber zum Wasserbottich. Er beobachtete es scharf und war auf jede Kapriole gefaßt. Als es getrunken hatte, führte er es in seine Box zurück und schloß die Tür hinter ihm.
Eine gute halbe Stunde später kam Alec in den Stall. Henrys Gesicht erhellte sich, als er ihm entgegenging. »Ich freue mich, dich zu sehen!« begrüßte er den Jungen herzlich und legte ihm den Arm um die Schultern. »Ich freue mich ebenfalls!« gab Alec zurück und sah ihn forschend an.
Es ist, wie ich’s mir dachte, der Junge weiß Bescheid, und wir können ohne Umschweife zu den Tatsachen kommen, überlegte Henry und sagte: »Du warst ja heute nacht schon hier, Alec!«
Alec nickte: »Ja, ein paar Minuten.«
»Na und... ? Was hältst du von ihm?«
Alec sah seinen alten Freund fragend an: »Was meinst du, Henry? Er wird mächtig groß, wie du mir geschrieben hast, und wir werden viel Zeit brauchen, um ihn fit zu machen. Er schien mich nicht wiederzuerkennen heute nacht... aber mit viel Geduld werden wir ihn schon erziehen, dessen bin ich sicher!«
Henry warf ihm einen bekümmerten Blick zu und brummte: »Wollen ’s Beste hoffen... aber ich bin dessen jetzt nicht mehr sicher.«
Alec wandte sich zu Vulkans Box herum, und sein Blick fiel auf die am Pfosten hängende Kette. Er sagte leise: »Du mußt wohl sehr viel Not mit ihm gehabt haben.«
»Es hat mir gereicht! Und es wird schwieriger mit jedem Pfund, das er zunimmt!«
Alec sah ihn wieder an und sagte ernst: »Du hast doch wohl die Kette dort nicht für ihn gebraucht?«
Henry erblaßte, die tiefen Furchen in seinem wettergegerbten Reitergesicht gruben sich wie geätzt in die fahle Haut. Er wirkte mit einemmal sehr alt und müde.
Alec senkte den Blick vor der Trauer und Enttäuschung, die sich in diesem Gesicht ausdrückte. »Ich sah sie heute nacht zum ersten Mal«, murmelte er. »Und da dachte ich...«
»Daß ich ihn damit geschlagen hätte?« fuhr Henry fort.
»Ich konnte es ja nicht wissen, Henry«, versuchte Alec zu erklären. »Ich weiß ja nicht, was er alles angerichtet hat!«
»Du solltest mich eigentlich besser kennen, Alec«, sagte Henry. Dann sah er die tiefe Niedergeschlagenheit in Alecs Augen und legte ihm die Hand auf den Arm. »Aber ich verstehe, was du empfunden haben mußt, als du die Kette so unerwartet dort hängen sahst. Es verhält sich so, daß ich sie für alle Fälle bereit haben mußte.«
Alec erinnerte sich beklommen an seinen Besuch in Vulkans Box in der letzten Nacht und wie knapp er den wütend schlagenden Hufen entgangen war. »Meinst du, daß er ausgesprochen bösartig ist, Henry?«
»Er ist es bisweilen! Und ich werde auf meine alten Tage nicht gelenkiger... Die Kette hängt zu meiner Verteidigung dort, und ich will dir gestehen, daß ich sie gebraucht
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