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Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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würde nur ein blasser Abglanz der Feier sein, von der er vor den Winterferien geträumt hatte. Alecs Augen wanderten durch den Stall, streiften die grünen Tannen- und Stechpalmenzweige, die die Wände und Balken schmückten, und blieben dann an Vulkans Box haften. Er ließ sich nicht blicken. Nur das Stampfen der Hufe auf dem Boden verriet seine Anwesenheit. Alecs Blick glitt weiter zu Napoleon, der seinen langen grauen Hals über die Boxentür gestreckt hatte, um an einem Stechpalmenzweig zu knabbern. Zuletzt sah er Henry an. Er konnte in den faltigen Gesichtszügen des alten Mannes lesen, daß es weder Ärger war noch Verbitterung, noch Furcht, was ihn so sprechen ließ. Sorge war es und Unruhe! Sorge um ihn!
    »Ich weiß, wie sehr du Blitz geliebt hast«, sagte Henry sanft. »Und ich weiß genau, wie sehr du wünschtest, Vulkan ebenso lieben zu können. Aber das nützt nichts, Alec, wenn der, den man liebt, selbst die Fähigkeit zu lieben nicht besitzt — dann ist alles vergeblich.« Er schwieg lange, ehe er fortfuhr: »Ich habe dich lieb, als wärst du mein Sohn. Wenn ich jemals ein Kind gehabt hätte, würde ich es mir so gewünscht haben, wie du es bist. Und weil ich dich so ins Herz geschlossen habe, Alec, macht es mich unglücklich, dich mit so einem Killer umgehen zu sehen. Ich bin ein alter Mann, Alec, ich fürchte mich nicht vor ihm und vor dem, was er mir antun kann — es handelt sich hier um dich! Ganz allein um dich! Und natürlich auch um deine Eltern, die genauso fühlen würden wie ich, wenn sie ahnten, wie es um Vulkan steht!«
    Alec wollte antworten, hielt aber inne. Es hatte ja keinen Zweck, Henry erneut zu erklären, was er ihm in den vergangenen Tagen schon dutzendemal gesagt hatte: daß nicht er Henry gerettet hatte, weil er das Pferd im rechten Augenblick hatte packen können, sondern daß in Vulkan selbst im entscheidenden Moment etwas aufgestanden war, das seinen starken Impuls zu töten unterdrückt hatte. Henry hatte diesen Hinweis jedesmal mit Spott als Hirngespinst abgetan. Aber er, Alec, hatte es gesehen und mit seinem ungewöhnlich feinen Verständnis für Pferde erkannt, daß in Vulkan ein Konflikt zwischen zwei Trieben entstanden war: dem einen, ursprünglichen, zum Töten — und dem anderen, in den letzten Monaten entstandenen, sich nicht auf die zu stürzen, die ihm Futter gegeben und Freundlichkeit erwiesen hatten. Und sollte denn nicht, was nun einmal geweckt war, weiter mit Liebe und Geduld gepflegt und gefördert werden können? Alec glaubte, daß das möglich sein müßte, und niemand, nicht einmal Henry, dessen Erfahrung er respektierte und dessen Freundschaft er schätzte, konnte diesen Glauben erschüttern. Aber es war sinnlos, Henry all das noch einmal zu erklären, es ihm noch einmal an diesem letzten Tag, ehe er ins College zurückmußte, auseinanderzusetzen. So sagte er nur kurz: »Ich möchte Vulkan nicht verkaufen, Henry. Ich kann es nicht.« Der alte Mann sah Alec lange an; dann senkte er seine Augen auf den Stechpalmenzweig, mit dem seine Finger spielten. »Gut. Wenn du es durchaus nicht willst und kannst... es ist dein Pferd, und ich will alles tun, was mir möglich ist, während du fort bist.« Er hielt inne und richtete seine grauen Augen wieder auf Alec. »Aber versprich mir, daß du, wenn du zurückkommst, dir alles, was ich dir gesagt habe, noch einmal gründlich durch den Kopf gehen läßt, bevor du den ersten Versuch machst, Vulkan zu reiten.«
    Alec senkte für einige Sekunden den Blick. Dann sagte er zögernd: »Ich verspreche dir, daß ich nicht den Versuch machen werde, Vulkan zu reiten, ehe ich überzeugt bin, daß ich ihn in der Gewalt habe.«
    »Nicht mehr als das?« fragte Henry zweifelnd. »Selbst wenn ich dir dann sagen muß, daß er noch nicht soweit ist? Er wird bis dahin sehr groß sein, Alec, bedenke das! Was wir jetzt erlebt haben, wird, mit dem verglichen, was er anstellen kann, wenn er ausgewachsen ist, ein Kinderspiel genannt werden können!«
    »Ich werde mich dann erst mit eigenen Augen davon überzeugen und eine Weile mit ihm umgehen müssen, Henry. Mehr kann ich dir jetzt nicht versprechen.«
    Achselzuckend warf Henry den grünen Zweig auf den Boden. »Du wirst es im Sommer selbst sehen«, murmelte er. »Hoffentlich gehen dir dann die Augen auf, und du unterläßt die Torheit.«
    Aus der Dämmerung draußen war inzwischen Dunkelheit geworden. Man hörte das eiserne Tor quietschen, und Stimmen näherten sich auf dem Weg zum

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