Blitz schickt seinen Sohn
Stimme; aber er sah trotzdem eine gewisse Unsicherheit in seinen Augen: der Junge war seiner Sache im Grunde keineswegs so gewiß, wie er ihn glauben machen wollte. Henry wurde zornig: »Du Narr!« sagte er. »Du unerfahrener junger Dickschädel! Du glaubst ja selbst nicht, was du da gesagt hast. Du wirst es nicht einmal fertigbringen, das Pferd zu besteigen!« Er legte die Hand auf Alecs Arm und sprach gemäßigter weiter: »Siehst du es denn nicht ein, Junge, daß das ein Unglück geben muß. Das Vieh wartet ja nur auf seine Chance, einen von uns umzubringen.«
Alec wandte sich ab, um Vulkan zu beobachten, der in kurzem Galopp seinen Auslauf umrundete. Er bot ein Bild der Kraft und der Schönheit. Vulkan war sein Pferd, seines geliebten Blitz’ Sohn! Und er wollte ihn endlich reiten! Seit Monaten wartete er sehnsüchtig darauf, das Spiel dieser mächtigen Muskeln zwischen seinen Schenkeln zu fühlen. Mußte er diese Sehnsucht begraben, nur weil Vulkan noch ungezähmt war? Noch wild und unbändig? Eigenschaften, die für ihn das Pferd eigentlich erst zu dem machten, was er sich wünschte: den stolzen, ungebrochenen Sohn seines großartigen Vaters! Nein, er brauchte seine Sehnsucht nicht zu begraben, entschied sich Alec. Er wollte Vulkan reiten, trotz der Warnungen seines alten Freundes, trotz der Zweifel, die er selbst hegte bezüglich seiner Fähigkeit, mit Vulkan fertig zu werden. Er sah Henry in die Augen. »Ich habe mich entschlossen, Vulkan zu reiten, und ob das jetzt oder im nächsten Frühjahr geschieht, ändert an der Sachlage nichts. Im Gegenteil, in ein paar Monaten wird es höchstens noch schwieriger sein als jetzt, denn dann ist er noch stärker. Wenn ich mich aber jetzt auf seinem Rücken halten kann, so haben wir einen großen Vorsprung.«
Ohne noch etwas zu erwidern, drehte sich Henry um und ging zum Stall. Als Alec ihn einholte, sah der alte Trainer aus wie ein Mensch, der ein großes Unglück kommen sieht, aber nichts daran ändern kann. Leise sagte er: »Da du es dir in den Kopf gesetzt hast, hat ein Aufschub keinen Sinn.« Er blickte kurz zu Vulkan hinüber. »Jage ihn in den Stall, ich hole inzwischen das Zaumzeug.«
Alec ging zum Zaun, öffnete die Tür und sah den Besenstiel am Boden liegen. Er zögerte einen Augenblick, dann ergriff er ihn und betrat den eingezäunten Teil des Feldes. Vulkan sah ihn kommen. Er entfernte sich schnaubend in langsamem Trott zur Westseite hinüber. Alec tat, als kümmere er sich nicht um ihn, und ging zur Mitte der Weide mit der Absicht, hinter Vulkan zu gelangen und ihn zu dem ausgetretenen Pfad zu treiben, der in die Box führte. Alec bewegte sich leicht, die Muskeln entspannt, alle Sinne auf das Pferd gerichtet. Hinter ihm angekommen, beschleunigte er sein Tempo und hielt sich nach rechts, um das Pferd an den westlichen Zaun zu drängen. Seit Beginn seiner Ferien war es bereits tägliche Regel geworden, Vulkan auf diese Weise in den Stall zu dirigieren. Das Pferd seinerseits wußte, daß es jetzt hineingehen sollte. »Diesmal wirst du etwas Neues kennenlernen«, murmelte Alec, als er hinter Vulkan herging, der sich dem Weg, der zu seiner Box führte, näherte. Seine Ohren spitzten sich; gleich darauf brach er mit einem kurzen Aufwiehern aus und wollte wieder auf die Weide zurück. Alec schnitt ihm den Weg ab. Vulkan wendete auf der Hinterhand. Alec war ihm ziemlich nahe gekommen; er sah, wie sich die Ohren flach an den Kopf legten, und faßte den Besenstiel fester. Sollte er mich angreifen, sagte Alec zu sich selbst, so soll er den Stecken zu schmecken bekommen! Vulkan starrte ihn an und schüttelte in seiner unbändigen Art den Kopf. Alec hielt den wütenden Augen stand und wartete, bis sich das Pferd endlich herumwarf und dann langsam dem westlichen Zaunende zutrottete. Alec folgte ihm ebenfalls in langsamem Schritt, auf jede Kapriole gefaßt. An der nordwestlichen Ecke der Einfriedigung blieb Vulkan stehen; der Weg zum Stall befand sich wenige Meter rechts von ihm. Als ob er genau wüßte, was er sollte, wandte er den Kopf danach, dann wieder zu Alec, schnaubte, stieg und scharrte am Boden. Alec ging vorwärts, den Besenstiel bereithaltend. Als er auf etwa zehn Schritte herangekommen war, konnte er die Wut in Vulkans Augen deutlich lesen. Zorn schüttelte seinen ganzen Körper; er sah äußerst bedrohlich aus.
Bis jetzt war Alec seiner Sache sicher gewesen. In diesem Augenblick fühlte er die Unsicherheit zurückkehren, die Henrys Warnungen in ihm
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