Blitz sucht seinen Vater
Der Name war Alec und Henry bekannt; er bedeutete »Der Schnellste von allen«. Ziyadah war der Vater von Blitz...
»Sie meinen wohl: das war sein Stall?« verbesserte Henry. »Ziyadah ist ja tot. Das hat uns Abu Ben Isaak wenigstens gesagt.«
»Er hielt ihn für tot, denn Ziyadah verschwand eines Tages. Aber er lebte noch«, antwortete der Scheich; seine schwarzen Augen wanderten zum Kamm des Gebirges hinüber. »Er galoppiert auf den Höhen, und zwar so schnell, daß sein Schweif Feuer gefangen zu haben scheint... Die Eingeborenen nennen das Pferd >Feuerschweif<, aber ich weiß, daß es Ziyadah ist!«
Es entstand ein langes Schweigen. Dann fragte Alec: »Wie können Sie dessen so sicher sein?«
»Wegen der Jährlinge, die wir nach Amerika geschickt haben — es sind Söhne von ihm. Nur Ziyadah vererbt dieses Äußere. Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben, daß meine Behauptung Sie nicht verwundert, denn aus diesem Grunde sind Sie doch hier? Haben Sie nicht sofort gewußt, nachdem Sie diese jungen Pferde gesehen hatten, daß sie dieselbe Abstammung haben mußten wie Blitz? Wir haben uns gedacht, daß Sie daraufhin den Versuch machen würden, seinen Vater zu finden.«
»Ja, und nun?« fragte Alec.
»Und nun« — der Scheich lächelte — »nun, da Sie hier sind, Alec, hoffe ich, daß Sie mir mit Blitz helfen werden, Ziyadah einzufangen !«
Der Rappe steckte seinen Kopf über die Stalltür, und seine Nüstern weiteten sich, als er zu den Stutenställen hinüberblickte.
Doch diesmal war es Henry, der schnaubte. »Eben haben Sie gesagt, Sie seien sicher, daß Ziyadah der Vater der Jährlinge ist, und jetzt erbitten Sie unsere Hilfe, um seiner habhaft zu werden. Wie hat er denn da die Stuten decken können?«
»Auf der Koppel.«
»Die Mauer, die Ihre Festung umgibt, ist gut vier Meter hoch. Wenn Ziyadah frei im Gebirge lebt, wie kann er denn da hier hereinkommen?«
»Wir wissen es nicht.«
»Haben Sie ihn denn hier gesehen?«
»Nein, dann hätten wir ihn gefangen; wir haben ständig aufgepaßt.«
Die Stille wurde durch laute Rufe und Pfiffe unterbrochen, gefolgt vom Trappeln vieler Hufe. Die Stuten wurden von den Weiden hereingebracht. Blitz wieherte laut.
»Kommen Sie jetzt, Sie sind müde und hungrig«, sagte Abd al Rahman. »Blitz ist hier sicher; niemand kommt hierher, unseren Leuten ist es verboten. Tabaris Vater hat es in seinem Testament so bestimmt. Den Schlüssel zum Stall können Sie an sich nehmen.«
Alec blickte fragend auf einen vor der mittleren Stalltür stehenden Sessel, auf dem eine Decke, ein aus schwarzen und goldenen Schnüren geflochtener Halfter und ein Führriemen lagen. Seinem Blick folgend, erklärte der Scheich: »Das ist der Stuhl Nazars, den Tabari heimbringt. Er besorgte den Stall, als Ziyadah ein junges Pferd war, und er ist es auch gewesen, der ihn freigelassen hat, worauf er verschwand.«
»Hat er es mit Absicht getan?« fragte Alec, als sie den Weg zu den Stutenställen zurückgingen.
»Nein. Nazar war Tabari und ihrem Vater treu ergeben; sie waren die einzigen, die in seinem Gesicht lesen und seine Zeichensprache verstehen konnten. Und Nazar hatte nicht seinesgleichen in der Pferdepflege. Deshalb überließ ihm Obu Ben Isaak die Sorge für sein Lieblingspferd.«
»Wie kam es denn dann, daß er Ziyadah ausbrechen ließ?« fragte Henry.
»Nazar hat viel Liebe und Sorgfalt an das junge Pferd gewandt«, sagte Abd al Rahman. »Tabari erzählt, daß ihm Ziyadah folgte wie ein treuer Hund. Dann begann er, sehr hoch zu springen. Die die Koppeln umgebenden Mauern konnten ihn nicht mehr zurückhalten. Deshalb befahl Abu Ben Isaak Nazar, ihm eine Fußfessel anzulegen, denn er hatte Angst, der junge Hengst werde sich beim Springen einmal schwer verletzen. Für Nazar aber bedeutete das Fesseln seines Lieblings dasselbe, als wenn einem Falken die Flügel beschnitten würden, und er ließ Ziyadah jede Nacht eine Weile frei, weil er sicher war, daß der junge Hengst stets zu ihm zurückkehren würde. Eines Nachts aber kam er nicht mehr zurück. Seitdem hat Nazar hier auf ihn gewartet, all die Jahre lang, hat seinen Stall bereitgehalten und seinen Halfter.«
Ungläubig fragte Alec: »Und niemand hat Ziyadah gesehen, als er ausbrach?«
Abd al Rahman schüttelte den Kopf. »Angeblich hörten einige Wächter das Donnern seiner Hufe, als er davonraste. Einer behauptete sogar, er habe ihn über die vordere Mauer springen sehen, aber das wäre natürlich unmöglich gewesen.«
»Es
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