Blitz sucht seinen Vater
anzulocken.«
»Das glückte Ihnen ja auch, wie die Jährlinge beweisen, aber gefangen haben Sie ihn dennoch nicht.« Henry sah in forschend an. »Hat ihn tatsächlich niemand gesehen, als er die Stuten gedeckt hat?«
»Nein, das sagte ich ja schon. Aber ich sah ihn später im Gebirge, mehrmals sogar. Er galoppierte, wie die Leute erzählt hatten, schnell wie der Wind und ließ eine Spur bunter Funken hinter sich.«
»Und in die Koppeln kam er nicht mehr?« fragte Alec. »Nein. Wir haben seit mehr als einem Jahr Wachen aufgestellt und auf ihn gewartet.«
»Wenn Sie so sicher sind, daß dieses Geisterpferd Ziyadah ist«, fragte Henry ruhig, »warum haben Sie ihn dann nicht als Deckhengst für die Jährlinge eintragen lassen?«
Abd al Rahman zögerte keine Minute mit der Antwort: »Weil ich ihn auf den Koppeln nicht gesehen habe! Und weil ein uraltes Gesetz unseres Volkes besagt, daß keine reinblütige arabische Stute ohne Zeugen gedeckt werden darf. So konnte ich nicht bezeugen, daß die Jährlinge seine Söhne sind, obwohl ich dessen sicher bin. Deshalb überließ ich es Don Gonzáles, die Papiere für die Jährlinge auszustellen; er nannte El Dorado als Vater.«
»Und das verträgt sich Ihrer Meinung nach mit den alten Gesetzen Ihres Volkes?« fragte Henry voller Ironie.
»Gewiß, denn ich füge dadurch niemandem Schaden zu. Überdies interessieren mich die Jährlinge nicht sonderlich, weil ich Ziyadah nicht als Vater nennen kann. Ich möchte Ziyadah fangen und dann mit ihm züchten. Nur so kann ich das Werk Abu Ben Isaaks fortsetzen und zu Ende führen. Und da Sie nun hier sind, mit Blitz, kann ich mich Ihrer Hilfe bedienen. Dann wird mein Plan gelingen.«
Alec begegnete seinem Blick. »Und dieser Plan besteht darin, den Deckhengst, den die Stuten nicht mehr locken, durch einen anderen Deckhengst anzulocken, den Ihr Geisterpferd vielleicht in seinem Reich nicht dulden wird, und dem er sich deshalb zum Kampfe stellt, so daß er gefangen werden kann?«
»Genau das«, antwortete der Scheich. »Nur möchte ich die Begegnung beider nicht dem Zufall überlassen. Blitz soll ihn jagen. Und ich hoffe, Sie werden ihn dabei reiten, da er ja keinen anderen Menschen in den Sattel läßt.«
»Und wann soll das geschehen?«
»Sobald Ziyadah das nächste Mal auftaucht. Das kann heute abend bereits der Fall sein. Er läuft bei Vollmond besonders gern.«
DREIZEHNTES KAPITEL
Vergebliche Suche
Am Abend saß Alec am Fenster seines Zimmers und sah hinaus. Im Lichte des vollen Mondes schimmerte das Gras der Weiden in grüngrauen Tönungen. Es war eine friedliche Berglandschaft, aber der Anblick gewährte ihm wenig Trost. Er hatte den gefährlichen Unterton in Abd al Rahmans Worten nicht überhört, als er davon sprach, Ziyadah durch Blitz zu jagen, vielleicht noch in dieser Nacht.
Alec hegte keinen Zweifel, daß Blitz imstande sein würde, seinen Vater einzuholen und im Kampf zu stellen, wenn er unter normalen Bedingungen gegen ihn hätte antreten können. Blitz hatte lange genug frei in der Wildnis gelebt und andere Hengste verfolgt, um sie zu töten. Aber mit einem Reiter auf seinem Rücken lagen die Dinge anders. Und lohnte es, das große Risiko einer Verfolgung in solchem Terrain auf sich zu nehmen?
Alecs Augen folgten den als dunkle Silhouetten vor dem Himmel stehenden hohen Gipfeln der Berge, die wie Türme in die Wolken hineinragten. Dann schüttelte er den Kopf. Es hatte keinen Zweck, zu grübeln. Abd al Rahman würde auf seinem Plan beharren, und sie waren in seiner Gewalt. Er — Alec — konnte sich weigern, Blitz zu reiten, und kein anderer konnte an seine Stelle treten. Was würde dann geschehen? Tabari war nicht mehr die Freundin, die sie vor Jahren gewesen war. Das Testament ihres Vaters war erfüllt; Alec hatte Blitz bekommen. Jetzt hinderte sie nichts mehr, Blitz zu erschießen, um ihren Vater zu rächen. Das würde sie nicht tun, wenn sie damit rechnen konnte, Ziyadah mit seiner Hilfe zu fangen. Denn daß Tabari hinter dem ganzen Plan steckte, war klar. Es ging um das Lebenswerk ihres Vaters, das ihr Gatte vollenden sollte. Er überlegte. War er es Abu Ben Isaak, seinem Wohltäter, dem er alles verdankte, was er erreicht hatte und besaß, nicht schuldig, Tabari und Abd al Rahman zu helfen, daß Ziyadah wieder in ihre Hände kam? Wenn Blitz das fertigbrachte, würde er seine Schuld am Tode Abu Ben Isaaks sühnen. Ja, er müßte helfen, trotz der Gefahren, die ihm dabei drohten. Damit war sein
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