Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz sucht seinen Vater

Blitz sucht seinen Vater

Titel: Blitz sucht seinen Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
Entschluß gefaßt.
    Er stand auf und ging zu Henry hinüber, der bereits im Bett lag. Er war blaß und schien zu frieren, denn er sagte sogleich: »Bitte, leg noch ein paar Scheite aufs Feuer, Alec.«
    »Ist dir nicht gut?« fragte Alec besorgt. Das Zimmer war gut durchwärmt, und das Feuer im Kamin brannte hell. Doch befolgte er Henrys Wunsch.
    »Mir geht’s gut, ich habe mich nur ein wenig erkältet; es war zu kalt letzte Nacht im Freien für einen alten Mann. Aber das wird bald vergehen. Schau nur, wie man mich verwöhnt.« Er wies mit der Hand auf eine dampfende Kanne, die auf seinem Nachttisch stand. »Der Scheich hat mir heiße Schokolade geschickt. Magst du eine Tasse? Es ist genug da.«
    »Nein, danke«, antwortete Alec. Er sah Henry an; der alte Mann wirkte sehr klein in dem riesigen Bett.
    »Ich wünschte, ich könnte schlafen, aber ich bin hellwach.«
    »Du wirst schlafen können, sobald du dich ins Bett legst«, redete ihm Henry gut zu. »Es hat keinen Sinn, daß du dir heute abend noch Sorgen machst. Es wird schnell genug wieder Morgen sein, und wenn man ausgeschlafen hat, läßt sich’s viel besser über alles nachdenken.«
    »Glaubst du jetzt an das, was Abd al Rahman uns erzählt hat?« fragte Alec leise.
    »Nun ja, jetzt kommt es mir eigentlich glaubhaft vor. Was hätte er sonst für einen Grund, hier zu sein, wenn er nicht den Hengst unbedingt einfangen wollte?«
    »Vielleicht gibt es ihn gar nicht«, mutmaßte Alec, »nicht lebendig jedenfalls.«
    »Aber wir haben ihn doch selbst gesehen... gestern nacht.«
    »Wir haben Funken gesehen«, verbesserte Alec, »und die ungewisse Silhouette von etwas, was wir für ein galoppierendes Pferd hielten. Aber wir können uns geirrt haben.«
    »Wir haben auch Hufschläge und Wiehern gehört. Und das, was ich sah, war ein Pferd! Du bist allzu skeptisch. Schlaf jetzt erst mal. Geh endlich zu Bett. Morgen wollen wir das alles besprechen. Ich bin zu müde. Gute Nacht.« Er löschte die Lampe am Bett und drehte sich um.
    »Gute Nacht, Henry.« Alec ging leise hinaus.
    In seinem Zimmer angelangt, sah er nochmals hinaus. Einige Stuten waren auf den Koppeln gelassen worden und grasten. Die einzigen Laute in der stillen Nacht kamen von den um ihr Feuer sitzenden Arabern. Sie würden bis Mitternacht dort plaudern, wie sie es in der Wüste zu tun pflegten, bis sie ihren Burnus um den Leib zogen und sich schlafen legten. Sie waren an Einsamkeit gewöhnt wie an große Hitze und Kälte. Und die Pferde waren ihre einzigen Freunde. Sie hatten sich zu Herrschern über die Pferde gemacht und sahen doch nicht auf sie hinab. Sie fühlten sich eher als Schuldner der Pferde, weil sie den Menschen ihre Freundschaft schenkten. Und so fühlte er auch Blitz und Ziyadah gegenüber, der der Vater seines Lieblings war. Er war hergekommen, um diesen Vater zu sehen. Dazu mußte er ihn fangen, und das wollte er auch.
    Alec ging zu Bett, schloß die Augen und lauschte auf die leise herüberklingenden Stimmen der Araber. Bald schlief er ein, aber nach längeren Pausen fuhr er immer wieder auf und lauschte. Worauf? Auf das Geisterroß? Gegen Morgen glaubte er leises Hufgetrappel zu hören. Er drehte sich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Aber das Getrappel kam näher und näher, und plötzlich stieß Blitz seinen wilden Kampfschrei aus, den ein anderer Hengst mit einem schrillen Wiehern beantwortete. Sogleich sprang Alec auf. Doch, als er völlig benommen, lauschend am Fenster stand, hörte er nichts mehr, außer ganz leisen Hufschlägen und dem erregten Wiehern einiger Stuten.
    Es war die Stunde vor der Morgendämmerung. Der abnehmende Mond wurde von einem Nebelschleier verhüllt. Alec verharrte eine Weile völlig regungslos am Fenster. Auf einmal erblickte er weit weg ein rötliches Licht, das frei im Raum zu schweben schien. Entsetzen stieg in ihm auf, ganz wie in der vergangenen Nacht, als er dieses seltsam schimmernde Glühen zum ersten Mal gesehen hatte. Er lehnte sich aus dem Fenster, um die kalte Luft einzuatmen und einen klaren Kopf zu bekommen.
    »Es war Ziyadah, ein Hengst aus Fleisch und Blut«, sagte er laut vor sich hin. »Er findet in den Felswänden Risse, Spalten und Wurzeln, die seinen Hufen Halt geben. Wenn Blitz in seiner Box schreit, kann ich sicher sein, daß es sich nicht um ein Geisterroß handelt — er will mit ihm kämpfen.«
    Das rötliche Glühen war immer noch zu sehen. Es schwebte langsam immer höher, bis es plötzlich zwischen den Felsen verschwand.

Weitere Kostenlose Bücher