Blitz und Pam
während des Nachtessens fortgesetzt worden, und Alec hatte dabei gesehen, daß die Einstellung seiner Mutter Pam gegenüber genau wie diejenige seines Vaters auf Gefühlen, und nicht auf logischen Überlegungen gründete. Junge Mädchen sollten sich nicht mit den Männern in der Rennwelt messen, fand sie. Das sei zu hart. Pferdeschauen sei für sie viel geeigneter; da würden sie wenigstens wie Damen behandelt. Junge Mädchen sollten zurückhaltender und weiblicher sein. Wer würde sich sonst um Heim und Kinder kümmern?
Alec hatte diese Theorien schon von anderen Frauen gehört — solchen, die mit den Konflikten nichts zu tun haben wollten, die eine Herausforderung der »Vorherrschaft des Mannes« mit sich brachte, und die einen männerfeindlichen Anstrich um alles vermeiden wollten. Und nun mußte er mit Entsetzen feststellen, daß seine Mutter eine von ihnen war.
Seine Eltern hatten von Pam gesprochen, als sei sie gar kein wirklicher Mensch, sondern bloß eine Angehörige der heutigen Jugend, die sie auf Grund von Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln als sehr verantwortungslos abtaten. Es waren liebe und großartige Eltern, doch Alec war es klar, daß ihre Äußerungen die Gefühle zwischen den Generationen vergifteten. Im übrigen verletzte es ihn, daß sie ihn überhaupt nicht als zur heutigen Jugend gehörend zu betrachten schienen.
All das war so schwer zu verstehen. Er kannte seine Eltern von der fairen, toleranten Seite. Sie hatten ihn seinen eigenen Weg gehen lassen und ihm so viel Freiheit gewährt, als sich ein Sohn nur wünschen konnte Wie hätte er sonst sein Leben mit Blitz aufgebaut?
Was war denn bloß mit ihnen los?
Und was mit Henry?
Alec betrat den Stall. Er fragte sich, ob sich seine Eltern und Henry in Wahrheit nicht vielleicht weniger ärgerten als vielmehr fürchteten — vor dem, was Pam verkörperte: eine Lebensfreude, die nicht bei den materiellen Gütern, bei den Dingen, für die sie so hart gearbeitet hatten, haltmachte.
Ob es sich nun gehörte oder nicht, Pam warf Fragen auf, die sie alle — auch er selbst — nicht hören mochten, weil sie damit an ihren Zielen, ihren Idealen und an ihrem Gewissen rüttelte.
Alec ging zu ihrer Wohnung, fand aber alles im Dunkeln. Schnell stieg er die Treppe wieder hinab und entfernte sich vom Stall. Er wußte, daß Pam in der Nähe sein mußte, denn ihr Wagen stand noch da.
Die Nacht war hereingebrochen, und Alec wartete, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ehe er über den Zaun stieg und sich in die Weiden schlug. Es stand kein Mond am Himmel; nur die Sterne erhellten die Nacht.
Als Alec beinahe am Waldrand angelangt war, hielt er an und horchte in die Nacht — hier irgendwo mußte Pam sein. Er wollte ihr alles erzählen, wollte ihr sagen, wie alle über sie dachten. Dann konnte sie entscheiden, ob sie bleiben wollte oder nicht. Wenn sie bleiben wollte, so würde er sie nicht gehen lassen, denn nachdem er den ganzen Tag mit ihr zusammen gewesen war, hatten sich seine Gefühle geändert.
Er ging ein paar Schritte und blieb wie angewurzelt stehen. Da war sie.
Er trat näher, doch sie hatte die Augen geschlossen und konnte ihn nicht sehen. Er hatte auf einmal das Gefühl, indiskret zu sein, in ihre gewollte Einsamkeit zu dringen. Sie trug ein weißes Baumwollkleid, das mit bunten Blumen übersät war. An ihren Ohren glitzerten winzig kleine Brillantohrringe. Ihre Arme lagen oberhalb des Kopfes, und ihr schlanker, geschmeidiger Körper mit den langen Beinen war wie derjenige eines erschöpften Tieres in völliger Entspannung am Boden ausgestreckt. »Pam!« rief Alec sie leise an.
Überrascht schlug sie die Augen auf und streckte ihre Hand nach der seinen aus. Er nahm sie und setzte sich neben Pam ins Gras. Nachtfalken flogen über ihren Köpfen dahin, und ihre Augen folgten dem Zug der Vögel am nächtlichen Himmel.
»Ich wollte, ich wäre einer der ihren«, sagte Pam. »Dann hätte ich Flügel.« »Wozu?« fragte er.
»Ich möchte einfach alles hören und sehen.«
»Warum bist du nur so rastlos?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Es gefällt mir wohl einfach, von einem Ort zum andern zu ziehen. Warum sollte ich denn stillstehen, wenn es doch soviel zu tun gibt für mich?«
»Aber ist das nicht eine ewige Hetze?«
»Vielleicht«, gab sie zu. »Doch wenn ich irgendwo lange bleibe, wird alles so geregelt und geplant, und irgendwie ist das nicht gut für mich. Ich weiß nicht, aus welchem Grund, aber ich spüre
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