Blitz und Pam
und ein Mädchen, das gegen die Männer antrat! Kein Wunder, hatte sich eine solche Menschenmenge eingefunden und wollten alle schon vor dem Start auf ihren Plätzen sitzen.
Während Alec die untere Vorhalle durchquerte, wurde er sich plötzlich bewußt, daß er Becky Moore mit Pam verglich. Beide liebten Pferde, aber sonst waren sie in jeder Beziehung grundverschieden. Er kannte Becky seit zwei Jahren, das heißt, seit sie auf der Rennbahn arbeitete. Sie war beinahe übertrieben schüchtern und bescheiden. Keiner der Männer wurde je böse auf sie. Eigentlich hatte keiner sie richtig als Mädchen betrachtet, bis sie eine Jockeylizenz erworben hatte und am Start erschien.
Alec war der Meinung, daß Becky das genau so gewollt hatte. Still und unauffällig hatte sie sich emporgearbeitet, bis sie eines Tages als Jockey auf einem Rennpferd aufkreuzte. Ganz einfach — doch klug geplant und ausgeführt. Keine Reibereien zwischen Mann und Frau, keine Probleme, keine spitzen Bemerkungen. Sie war dagewesen und doch nicht dagewesen, und die ganze Zeit über hatte sie diesen Ehrgeiz gehabt und genau gewußt, was sie wollte: in die großen Rennen einsteigen.
An Becky war nichts von dem, was Pam verkörperte. Während Pam aus ihrem Wesen und ihren Ansichten keinen Hehl machte, verbarg Becky hinter ihrer Schüchternheit und Sanftmut eine Härte, die im offenen Kampf rücksichtslos sein konnte und manch einem männlichen Jockey zum Verhängnis werden mochte. Becky würde sich schon tapfer schlagen — heute und wann immer es war; davon war Alec überzeugt.
Vor einer geschlossenen Tür auf der anderen Seite der Halle wies Alec einem Rennbahnpolizisten seinen Reiterausweis vor und trat ein. Innerhalb der großen Haupttribüne war es ruhig, ja im Vergleich zum Tumult, der auf den vier darüberliegenden Tribünenstockwerken herrschte, geradezu friedlich. Alec schritt einen langen Korridor hinunter, an Räumen und Büros vorbei, bis er zum Jockeyraum kam. Da er heute nicht im Rennen stand, durfte er nicht eintreten, und so blieb er auf der Schwelle stehen.
»Hoi, Alec!« rief ihm einer der Rennreiter zu. »Wir haben heute ein Mädchen auf dem Halse.«
»Ich hab’s gehört.«
»Ha!« machte ein anderer. »Becky ist kein Mädchen. Sie ist ein fertiger Junge. Oder hast du sie etwa schon mal in einem Rock gesehen?« »Nein, aber sie ist trotzdem ein Mädchen, und sie reitet wie ein Mädchen«, gab der erste Jockey zurück. »Gute Hände, aber keine Arme. Alles, was sie kann, ist auf dem Pferd sitzen und lenken. Hab’ ich recht?« »Ein Pferd lenken ist schon ganz schön wichtig«, erwiderte Alec.
»Jaa, schon — aber es braucht Kraft in den Armen, um ein Pferd auf engem Raum zu beherrschen.«
»Und laßt mal sehen, wie sie ein Pferd zum Rennen bringt, wenn es nicht rennen will!« foppte ein weiterer Reiter.
»Wenn der Tag kommt, wo ich nicht besser reiten kann, als ein Mädchen, gebe ich auf«, meinte der erste.
»Ja, ich auch!« pflichtete ihm ein Veteran bei. »Ich reite schon seit fünfzehn Jahren und lerne jeden Tag was Neues. Was soll ich mir da wegen eines Mädchens Sorgen machen? Ihr dürft mich nicht falsch verstehen«, fügte er hinzu. »Ich mag Becky. Alle mögen Becky.«
»Also, wenn sie alle mögen«, scherzte ein anderer, »wovor hat sie denn dann Angst? Wozu hat sie den Riesenhund in ihrem Wagen? Ein Wink von ihr genügt, und c frißt dich mit Haut und Haar auf.«
»Sie mag sich ja wie ein Junge benehmen, aber sie ist eben doch ein Mädchen«, sagte jemand. »Wahrscheinlich fühlt sie sich mit dem Hund sicherer.«
»Einerlei«, wandte sich der erste Jockey wieder an Alec. »Diese Jockey-Mädchen sind ohnehin nicht ernst zu nehmen, stimmt’s Alec? Sie sind nur ein Kassenmagnet, ein Bombengeschäft — für den Moment wenigstens. Aber nicht für lange. Der Reiz, weibliche Jockeys am Start zu sehen, wird schwinden, und dann ist’s aus mit ihnen.«
»Mag sein«, machte Alec.
»Und bis dahin möge Gott sie schützen«, tönte es aus dem Hintergrund.
»Und uns auch«, warf ein anderer ein. »Rennreiterinnen machen mich nervös. Sie verursachen Verkehrsstockungen.«
Alec ging weiter, den Korridor entlang und zum Aufzug, der zum Presseraum hinaufführte. Er wußte, daß er Henry dort oben antreffen würde. Vom Presseraum hatte man die beste Sicht auf die Bahn, und der Trainer verfolgte die Rennen immer von dort.
Alec dachte an das, was die Jockeys gesagt hatten. Es stimmte, daß mehr Gefahr im Rennen war, wenn
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