Blitz und Pam
ganze Oval überblicken können, damit er auch nicht einen einzigen Schritt verpaßte, den Blitz heute tat. Wo sollte er bloß hingehen? Er müßte sich entschließen, und zwar schnell.
Die Tribünen und die zementierte Vortribüne waren schwarz vor Leuten — schwarz wie der Regen, der vom Himmel fiel. Nur die Bahn war leer, eine nasse, aufgeweichte Straße, die bald belebt sein würde. Uber sich konnte Alec die fliegenden Möwen rufen hören. Die Flugzeuge auf dem Kennedy-Flughafen mußten heute am Boden bleiben; nicht so die Vögel. Ihre traurigen Schreie drangen zu ihm hinunter, und durch den trostlosen Nebel tönten sie noch trauriger. Unter ihren Stimmen fühlte sich Alec einsam und verlassen, von seiner Angst um Pam bedrückt.
Er sah Henry bei der Ziellinie, aber er mochte heute nicht mit ihm zusammen sein. Und er mochte auch nicht in den überfüllten Presseraum hinaufgehen. Er wollte das Rennen sehen, ohne sich die Gefühlsausbrüche anderer dazu anhören zu müssen.
Besorgt blickte er zur Startmaschine zurück. Gallant Teddy bereitete seinem Reiter und seinem Bahnhelfer viel Mühe Durch die Verzögerung gewann Alec Zeit, doch er mußte sich rasch entschließen, wohin er gehen wollte.
Aus den Lautsprechern ertönte — wie immer kurz und gekonnt — die Stimme des berühmtesten Ansagers im Rennsport: »Es ist jetzt Startzeit.«
Alecs Blick flog hinauf zur Ansagerkabine, die einsam zuoberst auf der Haupttribüne stand. Ja, das war es — dort hinauf wollte er gehen! Dort oben würde man ihn gern zulassen, vorausgesetzt, daß er sich während der Ansagen völlig ruhig verhielt. In jenem schalldichten Raum gab es keine Dramatisiererei, keine erregten Gemüter, kein Raten und Spekulieren, keine Parteilichkeit und kein Aufputzen der Tatsachen; da gab es nur genaue, wahrheitsgetreue, objektive, sekundenschnelle Kommentare, vom Anfang des Rennens bis zu seinem Schluß.
Alec beeilte sich, zur Haupttribüne zu gelangen. Er zog den Kopf ein und hielt die Arme vor — das eine, um sich vor dem Regen, das andere, um sich vor den Stößen der Leute zu schützen In der unteren Halle angelangt, rannte er quer durch den riesigen Raum auf eine bestimmte Tür zu. Er nickte einem Rennbahnpolizisten zu, zeigte seinen Ausweis und ging durch die Tür. Er lief den langen Korridor entlang und hielt vor dem privaten Aufzug, der zum obersten Stock der Haupttribüne führte. Er drückte auf den Knopf und wartete ungeduldig, bis der Fahrstuhl unten angekommen war. Es blieb ihm weniger als eine Minute Zeit!
Die automatische Tür öffnete sich, und Alec stieg ein. Er drückte heftig und drängend auf den obersten Knopf und wünschte innig, die Tür möge doch schneller schließen. Der Lift verließ das Erdgeschoß und fuhr geräuschlos nach oben.
Alec lehnte sich an die Wand des Fahrstuhls, denn plötzlich zitterte er am ganzen Körper, und in seinen Beinen klopfte es wild. Er konnte den Gedanken kaum mehr folgen, die ihm durch den Kopf jagten, während der Aufzug hinauffuhr, anhielt und die Tür aufging.
Sie hatte kein Recht, da draußen zu sein. Er erkannte das jetzt, sah es ein — jetzt, wo es zu spät war. Sie wollte unabhängig sein, sie war eigenwillig, dem Verderben geweiht. Was hatte sie in einem Rennen gegen harte Berufsreiter zu suchen, wenn sie barfuß im Gras Spazierengehen sollte? Und doch wußte er genau, daß sie es nicht anders gewollt hätte. Sie würde dieses Rennen bestreiten, wie sie alles andere auch tat: mit einem überwältigenden Eifer, alles zu leben, was das Leben zu geben hatte.
Vor der Tür zur Ansagerkabine klopfte Alec an, bevor er eintrat. Der Mann, der alleine hinter der Fensterfront des Raumes stand, war klein und gedrungen, ganz und gar nicht so, wie es zu seiner heldenhaften Gestalt als größtem Rennbahnansager aller Zeiten gepaßt hätte. Seine lebhaften braunen Augen unter den buschigen Augenbrauen blickten schnell zu Alec. Er zeigte auf einen zusätzlichen Feldstecher, der auf dem Tisch lag, und wandte sich sogleich wieder dem Renngeschehen zu.
Was immer den Start verzögert hatte, Alec hatte dadurch gerade genug Zeit gewonnen, um noch rechtzeitig hierher zu gelangen und das ganze Rennen sehen zu können. Er nahm den Feldstecher und ging zum großen Fenster. Er konnte die Regendecke sehen, die sich wie ein gigantischer Tunnel über das Oval der Rennbahn spannte. Die hintere Gerade war in der Düsterkeit kaum zu sehen. Der Ansager würde Mühe haben, seine Kommentare zu diesem Rennen zu
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