Blitz und Pam
Der ihm zugeteilte Bahnhelfer hatte keinerlei Schwierigkeiten mit ihm. »Vorbildlich!« lobte der Starter. Royal Pharaoh stand in seinem Abteil, und damit verblieb nur noch ein Pferd.
Der Starter blickte auf das achte Abteil, um sich zu vergewissern, daß die vordere Tür offenstand. Es war allgemein bekannt, daß Gallant Teddy nicht in ein geschlossenes Abteil zu bringen war. »Gut. Du kannst ihn reinbringen, Bill«, forderte er seinen Helfer auf. »Pack sein Ohr, damit du seine Aufmerksamkeit hast, bis er drin ist. Sehr gut. Und jetzt schließt du beide Türen — dann kann’s ja jetzt losgehen.«
Er ließ den Blick die Reihe geschlossener Startboxen hinabgleiten. Es war ein gutes Feld — keine Schwierigkeiten damit, außer den gewohnten. Aber in einem Rennen von der Bedeutung gab es allerhand Spannungen. Die Jockeys waren auf Draht, und die Pferde spürten das wohl.
Der Starter schaute ihre regennassen Gesichter an; er wollte sicher sein daß jeder Reiter gut in seinem Sattel saß und startbereit war. Willy Watts war jung an Jahren, doch reich an Erfahrung. Er schien so nervös wie Becky Moore zu sein, die auf Sun Dancer im Abteil nebenan saß. Sam Dillon sah grimmig aus. Er war ein Veteran des Rennsports und hatte viel Erfahrung. Mit über sechstausend Siegen war er der zweitbeste Jockey überhaupt. Tommy Ryan, Sieger des diesjährigen Kentucky-Derbys, hatte mit seinem Pferd alle Hände voll zu tun; Gallant Teddy war wie immer von überschäumender Energie.
»Bill«, rief der Starter, »geh hilf Ryan mal mit Nummer 8! Nimm den Schweif seines Pferdes und leg ihn über die Seitenwand seines Abteils. Halt ihn still, sonst kommen wir nie von hier weg.«
Die Sekunden tickten vorbei, und der Starter wandte sich besorgten Blicks zu Nummer 8 zurück. Er hatte bereits zwei Minuten Verspätung. Er biß sich auf die Lippen und dachte an andere Jahre, als er in wichtigen Rennen einen schlechten Start gehabt hatte. Das durfte diesmal nicht wieder Vorkommen. Er würde so lange warten, bis er sicher sein konnte, daß alles für einen guten Start in Ordnung war.
Gallant Teddy war es noch nicht leid, immer wieder hochzugehen, obwohl Bahnhelfer und Jockey alles daran setzten, ihn unten zu halten. Er richtete sich halbwegs auf und drehte sich im Herunterkommen ab, was seinen Reiter beinahe seinen Sitz kostete. Und plötzlich stürzte er sich vor, brach durch die Tür und raste die Bahn hinunter. Der rotgekleidete Vorreiter schnitt ihm behend den Weg ab, ehe er sehr weit gekommen war. Aber wieder ging Zeit verloren, weil man warten mußte, bis er zurück war.
Die Pferde in ihren Startboxen hatten sich beruhigt, als ob sie wüßten, daß es nun nicht sogleich losging. Das zeigte immerhin, wie hell sie heute waren, dachte der Starter. Beinahe wie brave Kühe warteten sie nun.
Als Gallant Teddy wieder in seinem Abteil war, wehrte er sich noch immer wild gegen Reiter und Helfer. Er bäumte sich auf und versuchte den Jockey gegen die Seite des Abteils zu drücken. Tommy Ryan hatte offensichtlich Angst, und das zu Recht, fand der Starter. Ryan hatte längere Zeit kein Rennen mehr bestritten, nachdem er sich bei einem Sturz in Belmont das Bein gebrochen hatte.
Mit der Unterstützung anderer Bahnhelfer gelang es endlich, Gallant Teddy in seinem Abteil geradezurichten und zu beschwichtigen. Der Starter schickte sich an, auf den Knopf zu drücken, über den die Tore geöffnet wurden. Noch ein paar wenige Sekunden wollte er warten, um Gallant Teddy die Möglichkeit zu geben, sich ganz zurechtzufinden.
Der Start stand nun unmittelbar bevor, und die Pferde waren sich dessen wohl bewußt. Sun Dancer schlug vor Ungeduld mit einem Vorderbein gegen die Türen. Challenger wand sich leicht in seinem Abteil. Blitz be wegte sich unruhig auf tanzenden, stampfenden Beinen umher. Dei Starter behielt ihn im Auge. Das hatte er schon lange erwartet. Blitz war ein »bitteres« Pferd — eines, das beim Ertönen der Startglocke grob und gemein wurde. Er hoffte, daß das Mädchen wußte, was zu tun war, wenn er sie abließ.
»Ruhig jetzt!« rief der Starter den Reitern zu. »Ich lasse euch nicht gehen, bevor jeder von euch stillsteht — ganz gleich, wie lange es dauert.« Doch seine Finger spielten mit dem Knopf, jederzeit bereit, darauf zu drücken.
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Das Empire-State-Handicap
Nachdem er Napoleon Deb übergeben hatte, beeilte sich Alec, durch die dichtgedrängte Menge vor der Haupttribüne zu kommen. Er wollte das
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