Blitze des Bösen
er ganz und gar kein Interesse
daran, sich die Artikel anzusehen.
Zu der Rastlosigkeit, die ihn seit seinem Erwachen immer
stärker ergriffen hatte, kam allmählich eine bedrückende
Platzangst hinzu. Mit einem Mal drängte es ihn förmlich aus
dem Haus; er mußte den engen Mauern entfliehen, die ihn
plötzlich beängstigend zu bedrängen drohten. Aber wohin
sollte er gehen?
Einen Spaziergang machen?
Unsinn. Trotz seines Versprechens an Gordy Farber hatte er
es schon immer gehaßt, einfach nur so in der Gegend herumzulaufen. Was er brauchte, war ein Ziel, nur so hatte das
Spazierengehen einen Sinn.
Ob er ins Büro gehen sollte?
Auch das ging nicht. Wenn er dort aufkreuzte, würde Rita
Alvarez ihn nicht nur nach Hause schicken, sondern auch noch
Anne anrufen.
Aber wie wäre es mit dem Jeffers Building? Er war seit seinem Herzanf all nicht mehr dort gewesen. Wenn er einen kurzen Blick auf den Baufortschritt werfen könnte, wäre das die
beste Medizin gegen seine seltsame Stimmung. Und auch wenn
Alan zufällig dort wäre, keiner kannte ja die Anweisungen
Farbers, daß er sich von der Arbeit fernhalten sollte. Glen hatte
sich entschieden, zog sein Jackett an und verließ das Haus.
Keine Stunde später stand er auf dem Gehsteig gegenüber
des hochaufragenden Gerüsts. Schon ein kurzer Blick zeigte
ihm, daß die Arbeit am Bau planmäßig fortschritt. Es
schmerzte ihn ein wenig, daß man ihn überhaupt nicht zu
brauchen schien. Dann fand er aber, daß die Zeichen des Voranschreitens in Wirklichkeit eine Anerkennung für ihn waren,
der erkennbare Beweis dafür, daß er und das ihm unterstellte
Planungsteam im Vorfeld so gute Arbeit geleistet hatten, daß
die Arbeiten reibungslos vonstatten gehen konnten.
Das Gebäude – sein Werk! Es zog ihn an wie ein Magnet. Er
überquerte die Straße und ging durch den Zaun, der das
Baugelände umgab, zum Büro: ein großer Wohnwagen, der
überflüssig werden würde, sobald das Erdgeschoß fertiggestellt
und richtig beleuchtet und beheizt werden konnte. Die junge
Frau hinter dem Pult, Janie Berkey, blickte von den
Kaufanträgen auf, die sie gerade bearbeitete und wirkte im
ersten Moment verdutzt, lächelte dann aber.
»Mr. Jeffers!«
»Ich bin zurück im Reich der Lebenden«, sagte Glen. »Ich
dachte, ich sollte mich mal umschauen. Ist Jim hier?«
»Mr. Dover kommt nicht vor dem Essen zur Baustelle
zurück«, erklärte sie. »Wenn Sie auf ihn warten wollen…«
»Ich möchte lieber selbst ein wenig herumschnüffeln«,
zwinkerte er ihr lachend zu. »Wie soll ich sonst herausfinden,
was er alles falsch gemacht hat, wenn ich nur sehe, was er mir
selbst zeigen will?«
Janie sah ihn groß an. »Mr. Dover hat nichts zu verbergen«,
sagte sie auf eine Art und Weise, aus der Glen zu schließen
glaubte, daß sie ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Chef
besaß. »Meistens ist er…«
»Das war nicht ernst gemeint«, unterbrach Glen. »Ein
Spaß.«
Janie wirkte unsicher, doch dann brachte sie ein leichtes
Lächeln hervor. Glen ergriff die Gelegenheit, sich einen
Schutzhelm aufzusetzen und aus dem Büro zu verschwinden,
bevor sie jemanden rufen konnte, der ihn begleitete.
Einige Minuten lang streifte er im Erdgeschoß umher, dann
stieg er die provisorischen Stufen zum Mittelgeschoß hinauf.
Aber als er das Gerüst inspizierte, fühlte er sich vom Aufzug
förmlich angezogen.
Was würde passieren, wenn er nach oben fuhr?
Würde ihn die Höhenangst, die er am Tag seines Herzinfarkts gefühlt hatte, zum zweiten Mal überkommen – oder war
seine unerwartete Panik nur ein blöder Zufall gewesen? Als er
vor dem Metallkäfig stand und noch überlegte, ob er wirklich
hinauffahren sollte, kam der Aufzug. Einer der Arbeiter stieg
aus und sah ihn neugierig an.
»Toll, daß Sie wieder hier sind, Mr. Jeffers!« sagte er mit
breitem Lächeln. »Wollen Sie rauf?«
Zunächst zögerte Glen, doch dann entschloß er sich zu fahren. Wenn er jetzt nicht in den Aufzug stieg und die Furcht
bezwang, die ihn vor einigen Wochen übermannt hatte, würde
er sie nie mehr überwinden. »Danke«, sagte Glen, stieg in den
Käfig, der Mann schloß die Tür, und eine Sekunde später
ratterte die Maschine mit den beiden nach oben.
Sofort spürte Glen die ersten Vorboten von Erregung in
seiner Magengrube. Doch fest entschlossen, heute der Höhenangst zu trotzen, sagte er nichts. Als der Aufzug weiter nach
oben stieg, zwang sich Glen, nach unten zu schauen, durch den
schweren
Weitere Kostenlose Bücher