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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Zunächst war
es dem Experimentator kaum aufgefallen, doch dann war er
immer sicherer geworden, daß Glen das Zuschauen tatsächlich
irgendwie genossen hatte. Schließlich hatte der Experimentator
ja jede Gefühlsbewegung Glens gespürt, während sie
gemeinsam die Arbeit an der Katze ausführten.
    Zuerst hatte sich bei Glen Widerstand geregt, der sich in
einem schwachen Unwohlsein geäußert hatte. Aber der Experimentator hatte gewußt, daß das nicht lange anhalten würde.
Hätte er vielleicht mit dem Hund oder auch mit dem Vogel
gearbeitet, wäre die Sache wohl schwieriger verlaufen. Aber
der Experimentator hatte gewußt, daß Glen die Katze
eigentlich nicht mochte.
    Er mochte sie ebensowenig wie der Experimentator. Und das
hatte alles wesentlich einfacher gemacht, denn wegen ihrer
gemeinsamen Abneigung gegen das Tier arbeiteten ihre
Gehirne auch synchron.
    Alles, was der Experimentator tun mußte, war, diesen Synchronismus zu verstärken, die noch lockeren Bande zu festigen,
die durch die Katze zwischen ihnen geknüpft worden waren. Er
hatte langsam gearbeitet, Glen zuschauen lassen, damit er sich
an ihr gemeinsames Tun nach und nach gewöhnen konnte. »Es
ist alles in Ordnung«, hatte er geflüstert. »Wir töten sie nicht.
Wir untersuchen nur, was sie leben läßt.«
    Er hatte gespürt, wie Glen sich entspannte, gespürt, wie er
das absonderliche Schuldgefühl ablegte, das so viele Menschen
daran hindert, ihre Fähigkeiten voll auszuschöpfen.
    Während des Wartens, daß die Katze bewußtlos wurde, hatte
der Experimentator über den Begriff Schuld nachgedacht. Es
war ein Begriff, den er im abstrakten Sinn zwar verstand,
dessen gefühlsmäßige Bedeutung er aber für sich selbst noch
nie hatte nachvollziehen können. Schuldgefühle hatte er nicht,
also mußte er sie auch nicht überwinden.
    Gelegentlich hatte er sich gefragt, ob mangelnde Schuldgefühle als Charakterfehler gedeutet werden könnten. Aber
wenn das so wäre, dann würde das nur für Menschen gelten,
die eine weit geringere Intelligenz hatten als er. Für ihn selbst
galt nichts dergleichen; und daraus resultierte seine Freiheit.
Seine Studien, seine Experimente waren nie von irgendwelchen
Gefühlen behindert worden. Nie hatte ihn etwas davon
abhalten können, das zu tun, wofür er sich am meisten interessierte.
    Und was ihn am meisten interessierte – das einzige, was ihn
überhaupt je interessiert hatte –, war das Studium des Lebens.
Nicht der Sinn des Lebens. Daran hatte er schon als Junge
das Interesse verloren und war zu der Schlußfolgerung gelangt,
daß das Leben keinen Sinn besitze.
Das Leben war einfach gegeben.
Und weil es daher keine Frage nach dem Warum gab, blieb
nur die Frage nach dem Wie übrig.
Ihm war schon lange klar, daß sein Freisein von Einschränkungen, die anderen Menschen Schuldgefühle verursachten, es ihm erlaubte, das Phänomen des Lebens mit
Methoden zu erforschen, die den seltsamen Anderen nicht zur
Verfügung standen. Er hatte seine Studien stets von allen
Fesseln befreit fortgesetzt.
Gestern hatte er damit begonnen, Glen Jeffers beizubringen,
dieselbe Freude daran zu finden, Wissen zu erwerben, wie er
sie empfand.
Nachdem die Katze bewußtlos geworden war, hatte er Glen
erklärt, daß ihr Tod nicht in ihrer beider Absicht lag. Als er
dann den Bauch der Katze mit dem Messer bis zum Hals
aufgetrennt und Glen ihn nicht davon abzuhalten versucht
hatte, war dem Experimentator klargeworden, daß Glen dasselbe Prickeln empfand wie ein Medizinstudent, der seinen
ersten chirurgischen Eingriff durchführt.
Während des gesamten Vorgangs hatte der Experimentator
gespürt, wie Glens Interesse wuchs. Mehr noch: Er hatte Glens
Verwunderung nachempfunden, als er ihm zuletzt das
lebendige, pulsierende Herz der Kreatur gezeigt hatte.
»Berühre es«, hatte er geflüstert.
Gemeinsam hatten sie das pochende Organ des Tieres
berührt, und eine Woge der Freude hatte den Experimentator
erfaßt, ihn in eine Heiterkeit versetzt, die er seit Jahren nicht
mehr gefühlt hatte, denn diesmal hatte er nicht nur selbst das
Experiment genossen, sondern dabei gleichzeitig in Glens
Gefühlen schwelgen dürfen.
Die Hitze des Lebens war in ihn geströmt.
Die Macht des unablässig arbeitenden Muskels war in seine
Seele geflossen.
Das Kribbeln auf seiner Haut hatte ihn erschauern lassen, als
er das Allerheiligste des Lebens selbst berührte.
Zusammen hatten sie das Experiment weitergeführt, bis

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