Blitze des Bösen
irgendwelchen Trophäen hatte.
Der war vielmehr daran interessiert, seine Signatur zu
hinterlassen.
»Sind die Jungs schon mit ihren Fotos fertig?« erkundigte er
sich.
»Die haben so viele geschossen, daß sie einen Film drehen
könnten«, sagte jemand.
Vorsichtig schob Blakemoor einen Lungenflügel beiseite,
um einen Blick in die Bauchhöhle zu werfen.
In dem Moment, als er die beiden bekannten Blitzstrahlen
ins Rippenfell eingekerbt sah, schaute er zu seiner Kollegin
hoch und nickte fast unmerklich. Dann blickte er dem Opfer
ins Gesicht.
Eine Frau um die Sechzig, vielleicht älter. Im Tod war ihre
Haut noch schlaffer geworden, und die dicke Make-up-Schicht
war unter ihren leeren Augenhöhlen zu dunklen Streifen
geschrumpft. Ein Fleck Rouge klebte noch immer auf einer
ihrer Wangen.
Ihr unnatürlich schwarzes Haar, das so typisch für jemanden
war, der verzweifelt demonstrieren wollte, daß sein
tatsächliches Geburtsdatum ein Irrtum der Natur sei, war nicht
mehr von Haarnadeln oder Haarspray in Form gezwängt,
sondern umrahmte ihr Gesicht wie ein mit Dreck und Blut
besudelter Heiligenschein. Doch obwohl die Elemente, die
Tiere und die Zeit ihre Spuren an ihr hinterlassen hatten,
erkannte Mark Blakemoor sie sofort.
Er erhob sich und wandte sich Lois Ackerly zu. »Die Sache
wird immer unheimlicher. Erst hat er Richard Kravens Bruder
umgebracht und jetzt seine Mutter. Was zum Teufel läuft hier
eigentlich ab?«
Ackerly blickte ausdruckslos auf die Leiche. »Das geht mir
nicht in den Kopf. Erst hat er Richard Kraven reingelegt, dann
seine Hinrichtung abgewartet, um anschließend den Bruder und
die Mutter zu töten. Wozu das?«
Blakemoor lächelte finster. »Keine Ahnung. Aber wenigstens hat er uns wieder seine Handschrift hinterlassen. Und
dank dieser werden wir ihn finden. Machen wir uns ans Werk.«
Er befahl, die ganze Gegend systematisch abzusuchen, obwohl
er wie immer sicher war, daß der Mörder sämtliche Spuren
hinter sich beseitigt und nichts zurückgelassen hatte, das zu
ihm führen könnte. Dennoch mußte die Suche ausgeführt
werden. Früher oder später mußte selbst dieser Mörder einen
Fehler machen.
Und dann, so nahm es sich Mark Blakemoor vor, würde er es
sein, der ihn fände.
58. Kapitel
»Daddy? He, Daddy, stimmt was nicht?«
Die Worte drangen nicht in Glen Jeffers Bewußtsein. Von
seinem Platz auf dem Beifahrersitz aus schaute Kevin seinen
Vater sorgenvoll an. Erst als er noch einmal etwas sagte, reagierte Glen.
»Nein, alles bestens. Wir sind fast da.« Glen klang zwar
völlig zuversichtlich, doch er fragte sich, inwiefern er die
Wahrheit sagte. In Wirklichkeit fühlte er sich nicht besonders
wohl. Schon nach dem Aufwachen hatte er das Gefühl gehabt,
irgend etwas stimme nicht und gedacht, daß er vielleicht lieber
nicht mit Kevin zum Angeln fahren sollte. Als er aber
vorgeschlagen hatte, die Fahrt auf das nächste Wochenende zu
verschieben, hatte der vernichtende Blick seines Sohnes ihn
schnellstens umgestimmt. Wenn Anne ihn dann auch noch
gefragt hätte, was ihn quälte, hätte er es ihr nicht einmal sagen
können. Tatsächlich konnte er es sich ja nicht einmal selbst
erklären. Den ganzen gestrigen Tag über hatte er sich
wohlgefühlt. Die Blackouts vom Donnerstag hatten sich nicht
wiederholt, und schließlich hatte er beschlossen, daß sein vages
Unwohlsein es nicht rechtfertigte, Kevin zu enttäuschen. Als
die beiden dann endlich in den Wagen gestiegen und Richtung
Osten über die Evergreen Point Bridge gefahren waren, hatte er
sich auch schon viel besser gefühlt. Aber auf der Weiterfahrt
nach Osten, durch Richmond hindurch, weiter nach Carnation
und Fall City, stellte sich ein eigenartiges Deja-vu-Erlebnis bei
Glen ein.
Es war deshalb so eigenartig, weil es nicht die genaue Erinnerung an ein früheres Erlebnis, an etwas Vertrautes, das sich
schon einmal ereignet hatte, war. Vielmehr spürte er so etwas
wie eine Vorahnung. Er hatte den Eindruck, daß er erst im
Begriff war, etwas zu wiederholen, das er früher schon einmal
getan hatte.
Es mußte etwas gewesen sein, das ihm großen Spaß gemacht
hatte, und das ihn sogar jetzt, obwohl er nicht wußte, was es
war, vor Aufregung erschauern ließ.
Er sah zu Kevin hinüber, und ein Bild blitzte durch sein
Hirn. Es verschwand aber rasch wieder.
Nur die Erinnerung daran blieb zurück.
Ein Herz.
Ein menschliches Herz, das er in der Hand hielt.
Woher stammte es?
Dann erinnerte er
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