Blitze des Bösen
Frau und wankte
ihr entgegen.
Es dauerte keine Sekunde, bis Anne begriffen hatte, daß die
Frau völlig betrunken war.
»Ich kenne Sie«, sagte Sheila, als sie sich Anne und Kevin
näherte. Sie nuschelte, und ihre Augen waren blutunterlaufen.
»Haben Sie nach mir gesucht? Könnten Sie mir nicht eine
Flasche Wein kaufen?«
»Wie wäre es, wenn ich Ihnen einen Kaffee spendiere?«
erwiderte Anne. »Und vielleicht auch noch ein Brötchen.«
Sheila wollte erst ablehnen, gab es dann aber auf und lenkte
schulterzuckend ein. »Sie haben recht. Ich sollte nichts mehr
trinken. Danny hätte es auch nicht gewollt.« Ihr Blick wurde
etwas klarer. »Sie sind gekommen, um mit mir über Danny zu
reden?« fragte sie.
»Ich… Was halten Sie davon, wenn wir zuerst den Kaffee
trinken?« fragte Anne. Sie nahm Sheila am Arm, führte sie zur
Grand Central Arcade, fand einen Tisch und ignorierte die
Blicke der anderen Gäste. »Wartet hier«, sagte sie zu Sheila
und Kevin. »Ich hole Kaffee und Brötchen.«
Zehn Minuten danach hatte Sheila fast den ganzen Kaffee
getrunken und ein halbes Brötchen verzehrt. Das Essen schien
die Wirkung des Alkohols etwas gedämpft zu haben, denn ihre
Augen wurden allmählich klarer. Schließlich holte Anne das
Messer, das Glen gefunden hatte, aus ihrer Tasche und legte es
auf den Tisch. »Erkennen Sie es wieder, Sheila?«
Sheila Harrar starrte lange darauf, dann griff sie mit zitternden Fingern danach. Ohne den Blick davon zu lassen,
drehte sie es immer wieder um. »Dannys Messer«, flüsterte sie
endlich. Sie schaute Anne mit großen Augen an: »Woher?
Woher haben Sie es?«
»Sind Sie wirklich ganz sicher, daß es Dannys Messer ist?«
fragte Anne sie nur.
Sheila nickte und versuchte, das Messer zu öffnen. »Es ist
seines«, beteuerte sie. »Ich kann Ihnen zeigen…« Das Messer
entglitt ihren zitternden Fingern und fiel zu Boden. Kevin hob
es auf und öffnete es.
»Hier«, sagte Sheila und berührte die Schneide mit dem
Finger. »Seine Initialen. Sehen Sie?«
Anne beugte sich vor und sah sich das Messer genau an.
Zuerst entdeckte sie nichts, doch dann konnte sie zwei kaum
erkennbare Buchstaben ausmachen, die in das Metall geprägt
waren: DH.
»Sehen Sie! Es ist seines!« Sie warf Anne einen flehenden
Blick zu. »Bitte! Woher haben Sie es? Wie haben Sie es gefunden?«
»Ich nicht. Mein Mann. Er ist bei Snoqualmie angeln gewesen und hat es gefunden.« Kevin hatte von einem Steinhaufen
auf dem gegenüberliegenden Flußufer geredet, in dem Glen
herumgewühlt hatte. »Ich… ich weiß nicht genau, wo…«
Dann mischte sich Kevin ein: »Aber ich. Ich kann genau
sagen, wo es war.«
63. Kapitel
Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten waren die Werkbank
und der Kellerraum vollständig gesäubert worden. Die Bank
und die Regale an der Wand darüber waren schon vorhanden
gewesen, als er und Anne sich das Haus gekauft hatten. Der
Vorbesitzer hatte alles an Ort und Stelle gelassen, bevor er ins
Altersheim gezogen war, und dort war es auch geblieben.
Sogar während der Restaurationsarbeiten in den übrigen
Stockwerken war im Keller nie etwas angerührt worden. Ab
und zu war vielleicht mal ein Werkzeug benutzt und von da
nach dort gelegt worden, doch es hatte immer dieselbe
Unordnung geherrscht.
Bis zum heutigen Tag, als Glen aus einem ihm selbst unerfindlichen Grund nicht nur die Reste der Forelle beseitigt,
sondern gleich den ganzen Raum aufgeräumt hatte. Systematisch hatte er die Unmengen von Plastikbehältern mit Muttern, Bolzen, Nägeln, Heftzwecken, Stiften, Nieten, Dichtungsringen und anderem Zeug zuerst nach Inhalt, dann nach
Größe sortiert und sie anschließend noch beschriftet. Als er
damit fertig gewesen war, hatte er alles so ordentlich in Reih
und Glied in die Regale gestellt, daß es eine wahre
Augenweide war. Nachdem alle Regale voll waren, hatte er
den Boden unter der Werkbank gesäubert und ihn so gründlich
gefegt und gesaugt, daß auch kein Stäubchen mehr zu sehen
war. Daraufhin hatte er die Werkzeuge, die bislang
durcheinander auf Tisch und Bank herumgelegen hatten, in
dieselbe Ordnung gebracht. Als er alles erledigt hatte, sah der
Raum wie neu aus. Alles lag jetzt an seinem Platz, und in dem
fluoreszierenden Licht erstrahlte er nun hell und sauber.
Es sah so blitzblank aus wie in einem Laboratorium. Glen
betrachtete sich sein Werk einige Minuten lang und genoß das
Gefühl der Zufriedenheit, das ihm das Aufräumen gebracht
hatte. Dann
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