Blitze des Bösen
Experimentator diesem stümperhaften Nachahmer
eine angemessene Strafe verpassen.
Heute hatte er jedoch anderes zu tun. Während Glen schlief
und Stille im Haus herrschte, wollte er damit beginnen, seine
Fähigkeiten wieder aufzufrischen, seine perfekte
Fingerfertigkeit wiederzuerlangen, die ihm in den Jahren, in
denen er seine Forschungen hatte einstellen müssen, abhanden
gekommen war. Von wachsender Vorfreude erfüllt, schloß er
die Durchsuchung des Hauses ab, hielt kurz an Anne Jeffers’
Garderobenschrank an, öffnete eine der Schubladen und ließ
seine Finger über ihre Satinunterwäsche gleiten.
In Gedanken berührte er ihre Haut.
Aus den Tiefen seiner Brust entstieg ein leiser, aber inbrünstiger Seufzer, der klang wie ein Blasebalg, mit dem man ein
Feuer anfacht. Seine Finger verkrampften sich einen Moment
lang und zerknitterten den Satin, aber er hatte sich rasch wieder
unter Kontrolle. Er schloß die Schublade, verließ den Raum
und ging in den Keller.
Die Einkäufe, die er tags zuvor erledigt hatte – von der
Angelrute, die Kevin gefunden hatte, abgesehen –, waren in
einem alten Schuhspind versteckt, in dem zwei Schachteln mit
verstaubten Büchern standen. Er hatte die Schachtel herausgenommen und sorgsam darauf geachtet, daß die Staubschicht erhalten blieb, dann den Koffer geöffnet und diverse
Gegenstände herausgeholt: ein Stück Nylonschnur, eine Spule
starken Seidenfaden, einige Angelhaken und ein Buch. Er hatte
die Sachen zu der langen Werkbank gebracht, die in einer Ecke
stand, sie abgelegt und an der Schnur gezogen, die von einem
Deckenbalken herunterhing. Das Licht hatte kurz geflackert,
doch dann mit seinem hellen Schein die Schatten des Kellers
verschwinden lassen.
Der Experimentator schlug das Buch auf. Es war ein Leitfaden zum Fliegenfischen, dem Hobby, dem er so oft nachgegangen war, um seine Enttäuschung zu lindern, wenn seine
Versuche mal wieder fehlgeschlagen waren. Er blätterte das
Buch rasch durch, bis er den Abschnitt über künstliche Fliegen
fand, die von Hand gebunden werden konnten. Dann schlug er
langsam die Seiten mit den Kunstdrucken um. Obwohl es
einem Betrachter hätte vorkommen können, als ob er die
Illustrationen nur oberflächlich ansähe, war das Gegenteil der
Fall. Innerhalb von einer Sekunde vermochte er es nämlich,
sich sämtliche Details der zwei Dutzend auf jeder Seite
abgebildeten Fliegen einzuprägen.
Die Fliege, nach der er suchte, fand er auf dem zwölften
Foto. Auf der Seite gegenüber stand ein kurzer Absatz, in dem
beschrieben wurde, wie jede einzelne Fliege hergestellt wird.
Die künstliche Fliege, die seine Aufmerksamkeit erregte,
bestand aus den Federn eines Sittichs. Ergänzt durch ein
kleines Büschel Katzenhaare, sah sie aus wie eine Art
geflügelte Raupe.
Der Experimentator wußte genau, woher er die Materialien
zum Binden der Fliege bekommen konnte.
Er verließ den Keller und stieg in den zweiten Stock hinauf.
Boots knurrte leise, als er die Küche passierte und lief ihm
nach. In Kevins Zimmer machte sich der Papagei gerade über
eine Schale mit Sonnenblumenkernen her; Kumquat saß auf
Kevins kleinem Pult und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz,
während sie den Papagei beobachtete.
Als der Experimentator den Raum betrat, hörte der Papagei
auf zu fressen und reckte den Kopf drohend vor, als ob er seine
Mahlzeit vor dem unerwarteten Besucher schützen wollte.
Der Blick des Experimentators blieb an der Katze hängen.
»Was meinst du?« fragte er. »Gibst du mir freiwillig ein
bißchen von deinem Fell für eine Fliege?« Die Katze spitzte
die Ohren und zuckte mit der Nase. Der Experimentator
lächelte. »Paß auf, wir machen einen Handel: Wenn der Vogel
eine Feder gibt, steuerst du ein paar Haare bei, okay?«
Der Experimentator ging zum Vogelkäfig und entdeckte auf
dem Boden eine Feder. Er öffnete die Tür und griff hinein,
doch als er die Feder wegnehmen wollte, packte der Vogel
seinen Daumen mit dem Schnabel. Er zuckte zusammen, zog
schnell die Hand aus dem Käfig und schloß die Tür gerade
rechtzeitig, um Hectors zweiter Attacke auszuweichen.
»Langsam, langsam«, beruhigte der Experimentator den Vogel.
»Und außerdem ist sie dir ja ausgefallen.« Er wandte sich der
Katze zu und hielt die leuchtend grüne Feder hoch. »Der Vogel
hat sein Opfer gebracht, und das wirst du jetzt auch.« Er hob
Kumquat hoch und machte sich mit ihr auf den Weg in den
Keller.
Boots winselte nervös und
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