Blitze des Bösen
Gesicht ablesen? »Ich weiß nicht, wovon
du redest«, sagte er laut, stieg aus und schlug die Wagentür
härter als nötig zu. Er nahm zwei Stufen auf einmal zur
Veranda hinauf und wollte gerade klingeln, als die Tür aufging
und Anne Jeffers ihn hereinbat. Auf ihrem kreidebleichen
Gesicht stand noch immer der Schrecken geschrieben.
»Sie glauben jetzt vielleicht, daß ich wirklich verrückt
geworden bin«, sagte sie, doch ihr Versuch, einigermaßen
locker zu klingen, mißlang.
»Ich weiß nicht mal genau, was überhaupt passiert ist«,
antwortete Mark und hoffte, seine Stimme würde nicht verraten, daß er sie am liebsten in die Arme genommen hätte.
»Also, was war los?« Lois und er folgten ihr ins Wohnzimmer.
Ein Mädchen, das Annes Tochter sein mußte, saß zusammengekauert auf dem Sofa und weinte, während ein schwarzes
Mädchen etwa gleichen Alters sie zu trösten versuchte.
»Hinten«, sagte Anne leise und führte die beiden Beamten
nach draußen in den Hof. Als sie über den Rasen gingen, warf
Mark Blakemoor einen Blick auf das Nachbarhaus und fragte
sich, ob wirklich ein Zusammenhang zwischen dem brutalen
Mord in der letzten Nacht dort und der Katze, die nun tot hinter
Anne Jeffers Haus lag, bestehen konnte.
Glen saß mit Kevin auf den Holzbohlen, wo die Mülltonnen
standen. Als Anne und die beiden Kommissare kamen, sprang
der Junge auf.
»Dort ist sie!« rief er und zeigte auf die Katze, deren Körper
teilweise unter den Planken lag. »Boots hat sie gefunden!
Genau wie er Mrs. Cott…«
»Das reicht.« Anne legte ihrem Sohn schützend die Arme
um die Schultern.
»Hat jemand sie angefaßt?« fragte Mark und beugte sich
hinunter, um das Tier in Augenschein zu nehmen.
Kevin schüttelte den Kopf. »Ich nicht«, berichtete er. »Und
ich hab’s Heather und Rayette auch nicht erlaubt. Ich hab ihnen
gesagt…«
»Du gehst jetzt besser ins Haus«, meinte Anne.
»Aber Mom!« meuterte Kevin. »Ich hab sie doch schließlich
gefunden!«
»Ab ins Haus mit dir! Wenn Kommissar Blakemoor
irgendwelche Fragen an dich hat, wird er dich das wissen lassen. Und sei nett zu deiner Schwester«, warnte sie ihn,
während er widerwillig ins Haus zurückschlurfte.
Blakemoor legte die Katze auf das Holz und untersuchte den
zerschundenen Körperteil, der einmal ihre Brust gewesen war.
Der Brustkasten war aufgeschnitten und die Lungen
herausgezerrt worden. Genau wie bei Shawnelle Davis und
Joyce Cottrell. Aber irgendwie war die Zerstümmelung anders
ausgeführt worden.
Fachmännischer.
Das Wort fiel ihm ganz plötzlich ein, aber als er es noch
einmal still wiederholte, wurde ihm klar, daß dies die einzig
zutreffende Beschreibung war. Während Davis und Cottrell so
ausgesehen hatten, als hätte sie jemand in einem Wutanfall
zerstückelt, erweckte der Katzenkörper fast den Eindruck, als
wäre er seziert worden. Zumindest deutete die Art, wie ihr
Brustkasten geöffnet worden war, darauf hin.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, was mit ihr passiert sein
könnte?« fragte er Glen Jeffers, der wie versteinert auf den
Liebling seiner Tochter starrte. Blakemoor musterte ihn genau,
doch in seinem Gesicht spiegelte sich nur der Schock.
Glen schüttelte den Kopf. »Ich wußte nicht mal, daß sie gar
nicht im Hause war«, antwortete er mit schleppender Stimme,
ohne aufzusehen. »Himmel, ich komm mir vor, als sei ich
daran schuld.«
»Wieso das?« fragte Lois.
Glen zögerte mit seiner Antwort. Von dem Moment an, als
Kevin nach Heather und Rayette geschrien hatte und er hinausgegangen war, um nach dem Rechten zu sehen, hatte er sich
daran zu erinnern versucht, wann er die Katze zum letzten Mal
gesehen hatte. Heute morgen, als er aus dem Park
zurückgekommen war, war sie noch da gewesen. Aber danach?
Er wußte es nicht. Aber morgens war er ständig ins Freie und
zurück ins Haus gegangen; die Tür hatte offengestanden, und
dabei konnte sie entwischt sein. Als er sich hingelegt hatte,
hatte er nicht nach ihr gesucht, auch nicht nach dem Aufwachen. Als er daran dachte, mit welcher Fürsorge Heather
jeden Morgen nach der Katze schaute, immer darauf bedacht,
daß sie ja nicht das Haus verlassen konnte, wuchs sein
Schuldgefühl noch. Er hätte zumindest ein bißchen auf sie
achtgeben können…
Statt dessen hatte er den halben Tag verpennt. »Wahrscheinlich ist sie heute morgen entwischt«, sagte er schließlich.
Sein Blick wanderte zu Mark Blakemoor. »Vielleicht zu der
Zeit, als Sie gegangen
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