Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
das Foto. »Sehen Sie hier die Spiegelung in der Sonnenbrille? Das ist die Kathedrale. Eindeutig.«
»Ach so.«
Er schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein, seine Gesichtszüge entspannten sich wieder.
»Und wo genau ist das?«
Diesmal schloss ich kurz die Augen und tat so, als müsse ich angestrengt nachdenken. »Das ist das Café gegenüber der Kathedrale
an der
Plà de la Seu
.«
Er zog einen Notizblock aus der anderen Jacketttasche und notierte die Angaben. Dann blickte er mir mit dem seltsamen Lächeln,
von dem ich nicht wusste, ob es wirklich eins war oder doch nur durch die Form seiner Lippen so wirkte, ins Gesicht. »Jetzt
sind Sie eine wichtige Zeugin und müssen mir Ihren Namen noch einmal sagen – zum Mitschreiben.«
Ich diktierte ihm meinen Namen.
»Und die Telefonnummer.«
Ich gab sie ihm.
»Und wenn Sie dann noch eine Telefonnummer hätten, unter der ich Frau Winterberg erreichen kann?«
In meinem Hirn schrillten die Alarmglocken los. »Wieso?«, fragte ich.
Stahl blickte mich überrascht an. »Ich muss die Identität der Bloggerin feststellen. Erstens ist sie die Hauptzeugin für den
Aufenthaltsort unseres Verdächtigen, und zweitens könnte es ja sein, dass sie noch mehr Fotos hat, auf denen der Mann besser
zu erkennen ist. Oder seine Begleiterin. Jedenfalls benötige ich jedes winzige Bisschen an Information, das ich bekommen kann.«
Erst in diesem Moment erkannte ich meinen nicht wiedergutzumachenden Fehler. Ich hatte zwar nicht ausdrücklich geleugnet,
Millie zu sein, aber ich hatte definitiv den Punkt verpasst, an dem ich es ihm hätte erklären können. Und wenn ich es jetzt
sagte, was würde er dann bloß von mir denken. Mir rutschte das Herz in die Hose. Ichhatte mich in eine Situation manövriert, aus der ich nicht mehr herauskam. Ich konnte mich jetzt, nachdem ich mich als unbeteiligte
Stewardess ausgegeben und so getan hatte, als sähe ich das Foto zum ersten Mal, nicht mehr als die Bloggerin zu erkennen geben.
Konnte ihm also auch nicht sagen, dass das Foto gar nicht in der letzten Woche aufgenommen worden war, wie es im Internet
stand, sondern schon im vergangenen Jahr. Er würde also weiter nach der Bloggerin suchen – und ich musste unbedingt verhindern,
dass er mit Sabine sprach. Das allerdings war nicht weiter schwierig.
»Sie ist nicht erreichbar«, sagte ich.
»Wo ist sie denn?«
»In Patagonien. Zum Trekking.«
Er sah mich an, als wollte ich ihn auf den Arm nehmen.
»Kein Scherz«, schickte ich eilig hinterher. »Ihr neuer Freund will eine ganz ursprüngliche Naturerfahrung machen. Sie sind
weit weg von jeder Zivilisation und von jedem Sendemast. Eine Handynummer würde also gar nichts nützen, selbst wenn sie eins
dabeihätten. Haben sie aber sowieso nicht.« Ich gab mir Mühe, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Aber sicher meldet sie sich mal bei Ihnen?«
Ich zuckte die Schultern.
Er zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche, deren Kante ebenfalls abgestoßen war. »Wenn sie sich meldet, soll sie mich unbedingt
anrufen. Es ist wirklich wichtig.«
»Wer ist denn der Mann, den Sie suchen?«, fragte ich mehr zur Ablenkung als aus Neugier.
»Ein weltweit gesuchter, internationaler Betrüger. Dieses Foto ist die erste Spur, die wir seit einem Jahr von ihm haben.«
Das Foto war ein Jahr alt, die Spur war also keinen Deutneuer als alles, was er hatte. Ich fühlte mich so mies, dass ich den Blick senken musste.
»Ist er gefährlich?«, fragte ich leise.
»Nun ja, nicht in dem Sinn, dass er Leute umbringt. Er bringt sie allerdings gern um ihre Immobilien und ihre Geldanlagen.
Besonders alleinstehende Frauen fallen immer wieder auf ihn herein. Er ist wirklich sehr geschickt.«
Seine Worte hatten meine Stimmung nicht unbedingt verbessert.
»Also, bitte denken Sie daran, Frau Winterberg meine Nummer zu geben, ja?«
»Selbstverständlich«, sagte ich. Selbstverständlich nicht, dachte ich.
»Danke sehr.«
An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Wohin geht denn die nächste Reise?«
Ich brauchte einen Moment, um seine Frage zu verstehen. »Im Moment nirgendwohin«, sagte ich. »Ich bin krankgeschrieben. Probleme
mit dem Trommelfell.«
»Oh, das tut mir leid.« Er sagte es ohne rechte Überzeugung.
»Ja, mir auch.« Und ich meinte es tatsächlich so. Was hätte ich darum gegeben, den nächsten Flieger zum anderen Ende der Welt
zu besteigen, um aus diesem Schlamassel herauszukommen.
Die
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