Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
nächsten Stunden verbrachte ich in unerträglicher Unruhe. Erst suchte ich den Betrüger auf allen anderen Fotos, die ich
damals in Barcelona gemacht hatte, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Dann schaute ich in meinen Blog und erwartete beinahe,
dass man mich durchschaut hatte. Dass jemand schrieb, dieses oder jenes Foto sei ja gar nicht vor ein paar Tagen aufgenommen
worden,sondern schon ein, zwei oder drei Jahre alt. Aber nichts dergleichen. Stattdessen hatte ich eine Handvoll Zuschriften bekommen,
die mich um Styling-Tipps baten. Welche Lidschattenfarbe denn gerade angesagt sei und einer hellblonden Frau mit Übergewicht
stehen könnte. Ich empfahl ihr ein pudriges Rosa, das es von drei erstklassigen Marken gab. Welcher dieser drei Farbtöne ihr
am besten gefiel, müsse sie selbst entscheiden – da die drei sich perfekt ergänzten, würde ich ihr allerdings raten, alle
drei zu benutzen, und zwar die zwei helleren als Lidschatten und den dunkleren als Rouge.
Eine zweite Frau wollte wissen, ob der Rocksaum nun kurz über oder kurz unter dem Knie enden sollte, und ich erklärte ihr,
welche Designer es in dieser Saison eher kurz und welche eher etwas länger hielten, forderte sie auf, ihre Beine kritisch
zu betrachten, und riet im Zweifelsfall zum längeren Rock. Lieber schöne Knie versprechen, als hässliche zeigen.
Weitere Fragen betrafen Accessoires wie Handtaschen, Gürtel und Schuhe, und ich beantwortete alle möglichst umfassend, was
die aktuelle Mode anging, und gab Tipps, die etwas neben dem Mainstream lagen. Immerhin sollte ein Trendscout neue Trends
setzen – und nicht alte erklären.
Als es keine Fragen mehr zu beantworten gab, meldete sich bei mir wieder die Nervosität. Ich nahm Sergeant Peppers Leine,
was er natürlich sofort bemerkte, obwohl er in der hintersten Ecke des Wohnzimmers gedöst hatte, und ging mit ihm hinaus.
Als wäre der Tag noch nicht schlimm genug, traf ich Jake im Treppenhaus. Barfuß, natürlich. Keine Ahnung, was er dort trieb
– vielleicht hatte er einfach darauf gewartet, mir auf den Sender gehen zu können.
»Okay, ich habe gesehen, dass du Herrenbesuch hattest, aber der Kerl ist doch gar nicht dein Typ, oder?«, begrüßte er mich,
als ich an ihm vorbeiging. Dabei wedelte er mit zwei Briefen. Ob er immer erst nachmittags seine Post aus dem Kasten holte?
Vermutlich war er gerade erst aufgestanden.
Ich wunderte mich zwar, woher er wusste, dass Stahl absolut nicht mein Typ war, sagte aber lieber nichts dazu.
»Außerdem war er ziemlich schnell wieder weg. Das war also höchstens ein Quickie. Was mich wieder stutzig macht, denn du bist
auch kein Typ für einen Quickie.«
Verdammt, auch das stimmte. Ich starrte ihn irritiert an.
»Kannst du auch über irgendetwas anderes reden als über Sex?«, fragte ich, während ich mich an ihm vorbeidrängte. Sein Rasierwasser
stieg mir in die Nase. Dieser Duft war einfach umwerfend, und ich musste zugeben, dass er hervorragend zu ihm passte.
»Kann ich schon. Aber von Mode verstehe ich nicht viel …«
»Das sehe ich.«
»… und es interessiert mich auch nicht. Was du sonst für Hobbys hast, weiß ich nicht, also ist Sex doch ein gutes Thema. Es ist
gewissermaßen universell.«
»Du willst mich bloß provozieren«, zischte ich. »Das kannst du dir abschminken.«
»Ts, ts, ts«, machte er und wackelte dabei mit dem Zeigefinger. »Von wegen. Das Thema bringt dich richtig in Wallung. Das
ist kein gutes Zeichen.«
Ich habe nie Spaß an Beleidigungen wie »fick dich« oder ähnlichen Sprüchen gefunden, aber tatsächlich lag mir diese Antwort
gerade auf der Zunge, als unter mir die Wohnungstür aufging. Herr Siebert, der Hausmeister. Zum Glück hatte ich mich gerade
noch zurückgehalten.Sergeant Pepper und ich liefen drei Stunden am Rhein entlang, aber auch das brachte mich nicht zur Ruhe. Ich wollte nicht
zurück in Sabines Wohnung, fand aber auch keinen Film im Kino, der mich reizte, und wanderte unentschlossen durch die Straßen,
bis ich an der Eckkneipe vorbeikam, in der Mops, der nette Wirt, mich vor einer Ewigkeit verarztet hatte. Mein Magen freute
sich über den Duft nach Rosmarin und Sesam, der aus den offenen Fenstern wehte, und Sergeant Pepper lief schwanzwedelnd auf
die Tür zu. Ich seufzte, beugte mich aber dem Hunger und meinem vierpfotigen Begleiter.
»Du warst lange nicht hier«, brummte der Wirt, kaum, dass ich mich auf dem einzigen freien Hocker
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