Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Polizist hatte sich inzwischen auf seinem Stuhl zurückgelehnt und betrachtete mich nachdenklich. Ich fragte ihn, worüber
man sich solche Sorgen mache, dass man mich aufgegriffen und mit aufs Präsidium geschleift habe. Er zögerte, fragte dann,
ob ich auch einen Kaffee wolle, und ging zwei große Becher mit einem undefinierbaren Gebräu holen, das immerhin relativ heiß
war und gar nicht mal so übel schmeckte.
»Wir sind von einem deutschen Kollegen vor einem Betrügergewarnt worden, der offenbar zur Fashion-Week angereist ist. Der Kommissar vermutet, dass dieser Mann mit einer Partnerin
arbeitet, mit der er gesehen wurde. Zeugen haben eine Skizze erstellt. Und die Frau sieht Ihnen ziemlich ähnlich.«
»Mir?«, fragte ich fassungslos zurück. Ich war in ungefähr vier Lagen diversester ausgeflippter Kleider gehüllt und trug eine
Sonnenbrille mit hellblauen Federn, als die zwei Komiker mich aufgriffen. Wenn irgendjemand mir ähnlich sehen sollte, konnte
es sich nur um eine Vogelscheuche handeln.
Ich atmete tief durch, um mich wenigstens ein bisschen zu beruhigen.
Zumindest konnte die Ähnlichkeit sich nicht auf das Foto aus Barcelona beziehen, das Funk und eine Begleiterin in dem Café
gegenüber der Kathedrale zeigte, denn diese Frau war steinalt. Mindestens fünfundvierzig, wenn nicht älter.
»Drehen Sie Ihren Kopf mal zur Seite, damit ich Ihr Profil sehen kann.«
Ich wurde rot, wie ich es immer werde, wenn man mich auf meine Nase anspricht. Selbst wenn das Wort »Nase« gar nicht ausgesprochen
wird. Meine Nase ist nämlich das, was man eine römische Nase nennt, nur noch eine Nummer größer als das, was die meisten Menschen
sich spontan darunter vorstellen. Sicher hatte auch Stahl mich eben bei Karl an meiner Nase erkannt. Hätte ich nicht eine
so panische Angst vor Operationen, hätte ich sie mir schon längst verkleinern lassen.
Ich drehte also den Kopf und präsentierte dem Polizisten mein Profil.
»Nein«, sagte er dann zu meiner großen Erleichterung. »Ihre Nase ist doch … anders.«
Größer, hatte er sagen wollen, da war ich mir ganz sicher.
»Und die Dame, von der die Rede war, ist auch … größer.«
Danke, langsam hatten wir alle Beleidigungen durch.
»Rémy«, schrie er plötzlich durch die offene Tür. »Sie ist es nicht. Sag dem deutschen Polizisten, dass er nicht kommen soll.«
Mir wurde schwindelig. Rémy hatte Stahl herzitiert? Mein Gott, wenn er mich hier sah, war alles aus.
Der größere Polizist, offenbar Rémy, erschien in der Tür. »Er ist gleich hier. Mir ist es lieber, er entscheidet selbst, ob
das seine Verdächtige ist.«
Der Kleine, der mir gegenübersaß, hob die Hände in einer Geste des Bedauerns.
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Stahl war gleich hier, Stahl war gleich hier, Stahl war gleich hier … Ich musste etwas tun, damit ich nicht in Handschellen zurück nach Düsseldorf geschleppt und dort der Justizbehinderung angeklagt
wurde.
»Ich würde gern kurz zur Toilette«, sagte ich. »Die nassen Sachen …«
Er erklärte mir den Weg und widmete sich wieder seinem Computer.
Ich verließ das Büro oder Verhörzimmer, oder wie immer sich der Raum nannte, quälte mich notgedrungen wieder in meine Schuhe
und ging den Flur entlang nach links, wo sich die Besuchertoiletten befinden sollten. Dort waren sie auch – aber ich ging
vorbei, eilte den Gang entlang und hoffte auf einen Aufzug oder ein Treppenhaus, das allerdings erst hinter der nächsten Ecke
kam. Ich nahm die Treppe, lief so schnell ich konnte die zwei Stockwerke hinunter und eilte hoch erhobenen Hauptes an der
Pförtnerlogevorbei auf die Straße. Den Bademantel hatte ich im Treppenhaus liegen lassen. Erst später fiel mir ein, dass das grässliche
Muster bestimmt genau nach Stefans Geschmack gewesen wäre.
Zum Glück hatte der Regen inzwischen nachgelassen, die Sonne drängte sich durch die milchigen Wolken, und ich eilte durch
die dampfenden Straßen in Richtung Gare du Nord. Inzwischen hatte ich nur noch eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des Zuges,
aber eine ordentliche Strecke zu Fuß zurückzulegen. Ich ging schnurstracks zur Madelaine, von dort zur Opéra Garnier und in
die Rue de la Fayette. Wie endlos diese französischen Prachtstraßen sind, merkt man eigentlich erst, wenn man sie unter geradezu
unmenschlichem Zeitdruck entlanghetzt. In der Metro sausen die Stationen Péletier, Cadet und Poissonnière nur so vorbei, zu
Fuß
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