Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
nicht mehr zu interessieren. Aber wenn er die Wahrheit nicht weiß, wirst du ihn
nicht wiedersehen wollen, weil du Schiss hast, dass sie herauskommt. Deine einzige Chance mit diesem Mann ist, ihm die Wahrheit
zu sagen. Wenn er die kennt und nicht böse auf dich ist, kannst du was mit ihm anfangen.«
»Ich will aber gar nichts mit ihm anfangen«, sagte ich.
Jasmin grinste mich an. »Natürlich nicht.«
Mein Problem war damit nicht etwa gelöst, sondern nur noch viel komplizierter geworden, daher beschloss ich, zuerst meinen
Vater zu warnen und dann zu entscheiden, ob ich Stahl zusätzlich informierte – oder lieber doch nicht.
Natürlich konnte ich nicht einfach die Auskunft anrufen und die Telefonnummer meines Vaters erfragen, daher setzte ich mich
an den Laptop und recherchierte. Ich fand Telefonnummern und E-Mail -Adressen seiner diversenUnternehmen, was mir aber nicht wirklich weiterhalf. Außerdem dürfte die Chance, durch einen Anruf in der Telefonzentrale
eines Unternehmens die Privatnummer des Inhabers zu bekommen, wohl als eher gering gelten. Ich durchsuchte das Netz nach Angaben
zu einem Privatbüro, nach einer Adresse, die es doch geben musste, damit Wohlfahrtsorganisationen Spendenaufrufe dorthin schicken
könnten, aber auch in dieser Hinsicht fand ich nichts. Sehr ärgerlich.
Ich tat also, was ich die ganze Zeit hatte vermeiden wollen: Ich rief meine Mutter an.
»Wie war die Reise?«, fragte ich, denn Fragen nach der letzten Reise waren die einzige wirklich wichtige Umgangsform, auf
die meine Mutter Wert legte.
»Traumhaft. Leider hatten wir grässliches Wetter, aber das ist man dort ja gewohnt, und zum Glück gehören wir ja nicht zu
den Leuten, die ständig durch die Gegend laufen wollen, obwohl es doch gut ausgebaute Straßen und hervorragend ausgestattete
Autos gibt.« Sie lachte schrill.
Ich verkniff mir eine Erwiderung, denn ich hatte meine Mutter nicht angerufen, um über ihre Reisen als Anhängsel ihres neuen
Mannes zu sprechen.
»Ich muss dringend meinen Vater erreichen«, sagte ich.
Ich konnte mir anhand des Schnaubens, das sie von sich gab, ihren Gesichtsausdruck lebhaft vorstellen. Mein Vater war an meinem
achtzehnten Geburtstag zur Persona non grata erklärt worden, und Mutter hatte mir jegliche Fragen oder auch nur die Nennung
seines Namens verboten. Bis dahin hatte er Geld geschickt, insofern ließ sich das Thema nicht umgehen. Als er die Zahlungen
einstellte, erklärte Mutter, er habe sich damit aus eigenem Willen aus meinem Leben verabschiedet, daher solle ich ihn nun
auchvergessen und nie wieder erwähnen. Ich erwähnte ihn nicht mehr, verfolgte jedoch sein Leben fortan im Internet.
»Wie kommst du darauf, dass ich dir dabei helfen könnte?«, fragte sie.
Weil sie niemals einen Kontakt hätte abbrechen lassen, der sich für sie als nützlich erweisen könnte. Weil sie Wert darauf
legte, immer eine Art Versicherung zu haben für alles, was sie tat. Weil sie im Notfall von dieser Verbindung Gebrauch gemacht
hätte. Zum Beispiel, wenn ich eine seltene Krankheit bekäme und eine Knochenmarksübertragung oder eine Spenderniere oder eine
sonstige teure Therapie benötigte. Sie ist der Typ, der sich über solche Dinge Gedanken macht und alles in ihrer Macht Stehende
tut, um vorbereitet zu sein.
»Mama, lass doch das Theater«, sagte ich seufzend. »Gib mir die Telefonnummer oder die Adresse, oder was auch immer du hast.
Es ist wirklich wichtig.«
»Das möchte ich gern selbst entscheiden. Also, was ist los?«
Sie gab nicht nach. Ich erzählte ihr von dem Betrüger Werner Funk, von der Fahndung, von dem Foto, auf dem er mit meinem Vater
zu sehen war. Und dass ich meinen Vater nun vor dem Betrüger warnen wollte.
Mutter schwieg ungewöhnlich lange. »Okay«, sagte sie endlich. »Ich habe eine Telefonnummer für Notfälle. Aber wenn es Ärger
gibt, will ich damit nichts zu tun haben.«
Ich versprach es ihr, notierte die Nummer und legte auf.
Eine geschlagene Stunde starrte ich auf den Zettel mit der Telefonnummer. Sergeant Pepper brachte mir die Leine und wartete
hechelnd, schleppte die Leine zur Tür und blickte sich auffordernd um, legte sie wieder vor meine Füße und bellte.
Ich stierte unverwandt die Telefonnummer an. Überlegte, was ich sagen würde. Überlegte, wie ich es sagen würde. Mir gefiel
weder das eine noch das andere. Endlich gab ich mir einen Ruck und wählte die Nummer.
Meine Hände waren
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