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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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Anna Ostroumowa-Lebedewa (die unter Repin, Bakst und Whistler studiert und drei Zaren überlebt hatte) lauschte mit ihrem Dienstmädchen Njuscha in ihrer Wohnung unweit des Finnischen Bahnhofs an der Wyborger Seite Leningrads. »Heute«, schrieb sie in ihrem Tagebuch, »habe ich den weisen Worten des Genossen Stalin mit aufrichtiger Sorge zugehört. Doch seine Worte erfüllen die Seele mit Ruhe, Hoffnung und Freude.« 26
    Sie wäre weniger zuversichtlich gewesen, hätte sie gewusst, wie weit die Deutschen wirklich vorgedrungen waren. Für die Sowjetunion erwiesen sich die ersten elf Kriegstage als verheerend. Sie war mit der größten Invasionsstreitmacht konfrontiert, die die Welt je gesehen hatte: vier Millionen Soldaten Deutschlands und der Achsenmächte, 3350 Panzer, 7000 Feldgeschütze, über 2000 Flugzeuge und 600000 Pferde. Besonders im Norden war die Rote Armee mit 370000 Soldaten, verglichen mit den 655000 der Wehrmacht, stark unterlegen. (Die Bestände von Kanonen, Panzern und Kampfflugzeugen waren ungefähr die gleichen. 27 ) Außerdem waren die Deutschen besser organisiert und besaßen eine fähigere Führung. Die Heeresgruppe Nord – eine von drei Heeresgruppen, die überall an der sowjetisch-deutschen Grenze angriffen – wurde von Feldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb geleitet, dem fünfundsechzigjährigen Berufssoldaten, der bereits die Zerschlagung der Maginot-Linie angeführt hatte. Ihm unterstanden General Ernst Busch an der Spitze der Sechzehnten Armee und General Georg von Küchler, der die Achtzehnte Armee befehligte und gerade den Sieg in Frankreich hinter sich hatte. Die Speerspitze der Heeresgruppe bildete die Panzergruppe 4 mit ihrem Befehlshaber General Erich Hoepner. Er hatte Generaloberst Hans Reinhardt und Generaloberst Erich von Manstein unter sich, die zu Hitlers brillantesten Panzerkommandeuren gehörten. Dagegen hatte die Nordwestfront der Roten Armee ihre leitenden Offiziere durch Stalins Säuberungen verloren und machte eine traumatisierte Reorganisation und Verlegung durch. Die Mehrzahl ihrer Einheiten war geschwächt, und manche besaßen nicht einmal scharfe Munition. Auch ihre Verteidigungsstellungen waren unzureichend: Bis Juni 1941 hatte die Armee ihre Bunker an der alten Grenze aus der Zeit vor 1939 – die sogenannte Stalin-Linie – weitgehend aufgegeben, war jedoch noch immer dabei, weiter westlich Befestigungen zu bauen.
    Vor allem jedoch hatte Deutschland den Vorteil des Überraschungsmoments für sich. Als sowjetische Grenzposten in den frühen Morgenstunden des 22. Juni von explodierenden Geschossen geweckt wurden, hatten viele von ihnen noch nicht einmal Stalins widerwilligen, knapp drei Stunden zurückliegenden Befehl erhalten, zu voller Alarmbereitschaft überzugehen. Verblüfft und zu verängstigt, um die Initiative zu ergreifen, baten Subalternoffiziere telegrafisch um Anweisungen. »Wir werden beschossen«, lautete eine typische Anfrage, »was sollen wir tun?« Auch die Luftstreitkräfte hatten keine Zeit zur Mobilmachung. Luftwaffenpiloten entdeckten zu ihrem Erstaunen sowjetische Maschinen aufgereiht und ungetarnt, und auch diejenigen, denen der Start gelang, waren leichte Ziele. »Der Russe war weit hinter unseren Linien«, schrieb ein finnischer Pilot. »Deshalb feuerte ich nicht, obwohl ich überhaupt nicht sicher bin, dass ich es fertiggebracht hätte, einer so lahmen Ente den Garaus zu machen … Seine Unerfahrenheit ließ vermuten, dass er kaum mehr als ein Entchen sein konnte.« Insgesamt wurden in den ersten Kriegstagen 1200 Flugzeuge an sechsundsechzig Stützpunkten zerstört, drei Viertel davon am Boden. 28 Für den Rest des Jahres besaßen die Deutschen die uneingeschränkte Lufthoheit und konnten so viele Tief- und Sturzflüge durchführen, wie es ihre Mittel – immer noch erschöpft nach der Luftschlacht um England – zuließen. Die Tatsache, dass die Luftangriffe auf Leningrad erst Anfang September begannen, war auf Verzögerungen bei der Reparatur von Flugplätzen zurückzuführen, die die Luftwaffe vorher selbst bombardiert hatte. Die Stadt wäre viel stärker beschädigt worden, hätte sie nicht über Hunderte von Suchscheinwerfern, Flakgeschützen und »Zuhörern« verfügt. Dies waren akustische Geräte in Gestalt riesiger Grammofonmuscheln, die den Anflug derselben Besatzungen verfolgten, die zwölf Monate vorher London angegriffen hatten.
    Da die Überzahl, die Führung, das Überraschungsmoment und die Lufthoheit sämtlich für sie

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