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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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vorführt.« 2 ) Am 4. September hatte Stalin seinen Botschafter Iwan Maiski mit einem halb verzweifelten, halb drohenden Schreiben zu Churchill entsandt. Er gab zu, dass die russische Front »zusammengebrochen« sei; deshalb müsse Großbritannien bis Jahresende eine zweite Front in Frankreich oder auf dem Balkan eröffnen, um dreißig oder vierzig deutsche Divisionen abzulenken. Wenn Sowjetrussland besiegt werde, fragte der Botschafter, wie könne Großbritannien dann den Krieg gewinnen? »Obwohl keine einzelne Formulierung diese Annahme rechtfertigte, konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren«, telegrafierte Churchill nach dem Treffen an Roosevelt, »die Russen spielten mit dem Gedanken an einen Separatfrieden.« 3
    Schdanow und Woroschilow wagten erst am 9. September, einen Tag später, Stalin mitzuteilen, dass Schlüsselburg gefallen war. Sein Antworttelegramm – ominöserweise auch von Malenkow, Molotow und Berija unterzeichnet – strotzte vor Verachtung:
    Wir sind angeekelt von Ihrem Verhalten. Sie tun nichts anderes, als uns über die Kapitulation dieses oder jenen Ortes zu informieren, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wie Sie planen, all diesen Verlusten von Städten und Bahnhöfen ein Ende zu setzen. Die Art, wie Sie uns über den Verlust von Schlüsselburg unterrichteten, war empörend. Ist dies das Ende Ihrer Verluste? Vielleicht haben Sie bereits beschlossen, Leningrad aufzugeben? Was haben Sie mit Ihren KW-Panzern angefangen? Wo haben Sie sie in Stellung gebracht, und warum gibt es keine Verbesserung an der Front, obwohl Sie über so viele verfügen? Keine andere Front hat auch nur die Hälfte Ihrer KW-Quote. Was tun Ihre Flugzeuge? Warum unterstützen sie die Soldaten auf dem Schlachtfeld nicht? Kuliks Division ist Ihnen zu Hilfe gekommen – wie wird sie von Ihnen eingesetzt? Dürfen wir auf irgendeine Besserung an der Front hoffen, oder ist Kuliks Hilfe verschwendet wie die KWs? Wir verlangen, dass Sie uns zwei- oder dreimal pro Tag über die Situation ins Bild setzen. 4
    Schon vor der Nachricht über Schlüsselburg hatte Stalin beschlossen, neue Befehlshaber zu ernennen. Am Vortag hatte er seinen Generalstabschef, Georgi Schukow, in den Kreml geladen und ihm befohlen, mit einer Notiz für Woroschilow nach Leningrad zu fliegen; darin stand schlicht: »Übergeben Sie Schukow den Befehl über die Armeegruppe und fliegen Sie unverzüglich nach Moskau.«
    Der dreiundvierzigjährige Schukow – mit kahlem Quadratschädel, brutalem Willen, einem brillanten taktischen Gespür und dem Mut, Stalin in militärischen Angelegenheiten die Stirn zu bieten – war der herausragende sowjetische Befehlshaber des Zweiten Weltkriegs. Er hatte sich zwei Jahre zuvor einen Namen gemacht (und sich zugleich, wie er vermutete, den Klauen des NKWD entzogen), als er einen japanischen Vorstoß in die Sowjet-Mongolei zurückschlug. Im Winter 1942/43 sollte er die spektakulären Umzingelungsaktionen bei Stalingrad lenken und im Frühjahr 1945 die Rote Armee im Triumph in Berlin einmarschieren lassen. Die drei Herbstwochen 1941, in denen er den Deutschen vor Leningrad Einhalt gebot, trugen einen weiteren Teil zu der Legendenbildung bei.
    Wie Schukow in seinen Memoiren erzählt, brach er in Moskau bei grauem, regnerischem Wetter gleich am selben Tag auf, nachdem er mit Stalin gesprochen hatte. Er nahm zwei vertraute Helfer aus mongolischen Tagen mit: die Generale Michail Chosin und Iwan Fedjuninski. 5 Bei ihrem Anflug auf Ladoga lichteten sich die Wolken, und ihre Maschine wurde von zwei Messerschmitts entdeckt, die sie über die Wasseroberfläche jagten, bis sie von vorgeschobenen Flakgeschützen zur Umkehr gezwungen wurden. Nach der sicheren Landung auf einem Heeresflugplatz ließen sich die Generale direkt zum Smolny fahren, wo die Wache sie am Tor anhielt. Diese verlangte »unsere Passierscheine. Natürlich besaßen wir keine. Ich nannte meinen Namen, aber das half auch nicht. Dienst ist Dienst! ›Sie werden warten müssen, Genosse General‹, sagte der Posten und rief nach dem Wachhabenden. Es vergingen fast fünfzehn Minuten, bis der Kommandant des Stabes die Erlaubnis zur Einfahrt in den Smolny erteilte.«
    Schukow betrat das Hauptquartier, wo nach seiner Schilderung eine Atmosphäre des trunkenen Defätismus herrschte. Eine Sitzung des Leningrader Militärrats war im Gange; man entwarf Pläne für die Zerstörung der städtischen Versorgungsunternehmen und wichtigsten Fabriken sowie für die Versenkung der

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