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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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Ossinowez-Leningrad-Eisenbahnstrecke, brachte man bis zum Tauwetter Ende April insgesamt 270900 Tonnen Nahrung und 90000 Tonnen Brennstoff sowie andere Vorräte in die Stadt. 7
    Weniger erfolgreich verliefen im November und Dezember jegliche Versuche, die Belagerung selbst zu durchbrechen. Bei seiner Abreise nach Moskau hatte Schukow der Leningrader Front einen winzigen, unter hohen Blutverlusten errungenen Brückenkopf nach Süden über die Newa, westlich von Schlüsselburg, hinterlassen: den sogenannten Newski pjatatschok (»Fünfkopekenstück an der Newa«). Nur zwei Kilometer lang und weniger als einen Kilometer breit, sah er auf Karten eindrucksvoll aus, war in Wirklichkeit jedoch viel zu klein und exponiert (die Deutschen hielten ein festungsähnliches Kraftwerk etwas weiter am Fluss entlang), um die Basis für einen erfolgreichen Durchbruch zu bilden. Ein Versuch nach dem anderen – am 2., 9., 11. und 13. November – scheiterte, alle unter enormen Verlusten.
    Ein gleichzeitiger Durchbruchsversuch über das Eis des Sees im Norden von Schlüsselburg war ein Fiasko. Am 13. November wurde die 80. Schützendivision aus dem Kessel von Oranienbaum nach Leningrad geflogen, im Gewaltmarsch nach Ladoga getrieben und angewiesen, gut verschanzte deutsche Positionen zu stürmen. Eine große Zahl der Männer fiel durch das zu dünne Eis, andere, ausgemergelt und erschöpft, sackten noch vor Beginn des Angriffs zusammen. Stalin war wütend, weil er keine Informationen über die Katastrophe erhalten hatte: »Es ist sehr seltsam, dass Genosse Schdanow kein Bedürfnis zu verspüren scheint, ans Telefon zu gehen … Man muss annehmen, dass Leningrad nach Vorstellung des Genossen Schdanow nicht in der UdSSR, sondern auf irgendeiner Pazifikinsel liegt.« 8 Für Schdanow waren die unglückseligen Befehlshaber, Oberst Iwan Frolow und Kommissar Konstantin Iwanow, die Sündenböcke. Zwei Stunden vor der Attacke, hieß es im Urteilsspruch über Frolow, habe er »zwei Frontvertretern erklärt, er glaube nicht an den Erfolg der Aktion«. Diese Worte waren in der Kopie, die Schdanow erhielt, unterstrichen. Am 3. Dezember erschoss man beide Männer wegen »Feigheit und Defätismus«. 9 Von ungefähr 300000 Rotarmisten, die an der Schlacht um Tichwin und an den damit verbundenen Offensiven teilgenommen hatten, wurden 110000 als krank oder verwundet sowie 80000 als gefallen, gefangen oder vermisst gemeldet. Auf deutscher Seite gab es 44000 Verluste.
    Trotzdem bedeutete das Ende des Jahres 1941 für die Ostfront einen Wendepunkt. Die Deutschen hatten Leningrad eingekreist, es jedoch nicht erobern können, und auch vor Moskau waren sie zum Stehen gebracht worden. Anfang November, verlangsamt durch den Schlamm und den Schnee sowie Schukows glänzend organisierten Widerstand, hatte sich die Operation Taifun allmählich totgelaufen. Die psychologische Wende war der 7. November, der Jahrestag der Revolution von 1917. Am Vorabend hielt Stalin eine trotzige Rede in der reich geschmückten Metrostation Majakowskaja, gefolgt von dem Wagnis einer gewaltigen Militärparade auf dem Roten Platz.
    Angesichts der zunehmenden Kälte und der wachsenden Verluste baten Hitlers Generale um Erlaubnis, ihre Winterlager aufzuschlagen. »Operative Kunststücke sind nicht mehr zu machen«, schrieb Halder am 11. November in seinem Tagebuch. »Truppe nicht verschiebbar. Nur zweckmäßiges, taktisches Handeln möglich.« Hitler war anderer Meinung und bestand darauf, dass Moskau bis Jahresende besetzt werden müsse. Widerwillig nahmen seine Generale die Offensive wieder auf. »Fm. v. Bock führt die Schlacht von Moskau selbst von einer vorgeschobenen Befehlsstelle. Seine unerhörte Energie treibt mit allen Mitteln vorwärts«, notierte Halder am 22. November. Obwohl die deutschen Divisionen des Südflügels »am Ende« seien – ein Regiment seiner alten 7. Division werde, wie Halder bemerkte, nun von einem Oberleutnant geführt –, habe man am Nordflügel »die Möglichkeit des Erfolges … Von Bock vergleicht mit der Marneschlacht, wo das letzte Btl., das noch herangeworfen werden kann, entscheidet.« Eine Woche später rief Bock bei Halder an und ließ ihn wissen, dass die Schlacht negativ verlaufe. Nun sprach er nicht mehr von der Marne, sondern befürchtete vielmehr, dass aus dem Angriff auf Moskau »ein neues Verdun wird, d.h. ein seelenloses frontales Abringen«. Bei aller Sorge um die menschlichen Opfer müsse man eine letzte Anstrengung machen, den Feind in

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