Blonder Kugelfang
sie. Deshalb habe ich nichts an. Es macht Ihnen hoffentlich nichts
aus?«
»Doch«, antwortete ich, »aber
es ist schmerzlos.«
»Bekomme ich auch etwas zu
trinken?« fuhr sie fort. »Nein, bleiben Sie sitzen, ich bediene mich selbst.«
Sie ging zur Bar und wandte mir
die Rückfront zu, während sie sich zu schaffen machte. Dann drehte sie sich um,
ein Glas in der Hand.
»Ich konnte es einfach nicht
mehr ertragen«, vertraute sie mir an. »Ich meine, das Leben mit diesem gräßlichen Mannweib.«
»Und seit Art Stillmans Tod ist Ihnen außerdem das Heroin ausgegangen«,
ergänzte ich.
Ihre volle Unterlippe verzog
sich schmollend. »Sie sind aber nicht nett zu mir, Rick.«
»Bloß ehrlich. Deshalb haben
Sie Bernie Reese so lange bearbeitet, bis er Ihnen Stoff und eine neue Spritze
gab, stimmt’s?»
»Er war doch Arts Freund.«
»Daran konnten Sie sich
immerhin erinnern? Aber sonst haben Sie immer noch keinen Schimmer, was das
ganze Wochenende über passiert ist?«
»Sie sind ja richtig gemein zu
mir«, jammerte sie. »Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich überhaupt nicht
hergekommen, Rick.«
»Warum sind Sie eigentlich
gekommen?«
»Weil ich so dumm gewesen bin«,
antwortete sie. »Sie sind der einzige, der mir helfen kann. Das ist mir jetzt
klar geworden.«
»Ich kann Ihnen nur helfen,
wenn Sie sich endlich ans letzte Wochenende zu erinnern beginnen«, knurrte ich.
Langsam schüttelte sie den Kopf.
»Ich war die ganze Zeit so gottverdammt high, Rick. Alles ging so
schnell, daß sich mir nichts eingeprägt hat.«
»Wissen Sie noch, wie es
anfing?«
»Am Freitag
abend brach Tracy nach New York auf«, erzählte sie. »Ich hatte das
Wochenende frei und wußte nicht, was damit anfangen. Dann rief Art Stillman am Samstag morgen an und
erkundigte sich, ob ich noch genug Stoff hätte. Ich hatte noch reichlich, aber
sogar Arts Gesellschaft war mir lieber, als die
leeren Wände anzustarren. Deshalb lud ich ihn ein. Ich wollte gerade fixen, als
er ankam, da bot er an, das für mich zu tun. Dabei muß er mir eine größere
Dosis gegeben haben, als ich sie je hatte. Denn von da an ging alles drunter
und drüber.«
»Und Sie erinnern sich danach
an nichts mehr?«
»Ab und zu an ein paar
Einzelheiten«, klagte sie. »Aber die ergeben alle keinen Sinn.«
»Erzählen Sie mal.«
»Zum Beispiel erinnere ich
mich, daß mich jemand hinten gestochen hat. Bei der Gelegenheit bin ich
wahrscheinlich zu dem Skorpion gekommen, wie?«
»Wo waren Sie da?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine
Ahnung, aber es waren noch mehr Leute dabei, weil ich sie reden hören konnte.
Eine Frau lachte und sagte, es sei jammerschade, die Klatschspalten würden ein
Vermögen dafür zahlen. Oder so ähnlich jedenfalls. Werden Sie daraus schlau?«
»Was noch?«
»Es macht mir wirklich angst «, sagte sie. »Wie ein Alptraum, an den man sich nicht
mehr ganz erinnern kann, der einem aber immer noch Gänsehaut einjagt. Jemand
hat mir weh getan, furchtbar weh! Und jemand anderer sagte dauernd, ich müßte doch
noch wissen, was ich damit gemacht hätte. Aber ich wußte es nicht! Sie wollten
mir das einfach nicht glauben. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, das weiß
ich noch. Aber danach nichts mehr.«
»Stimmen haben Sie nicht
erkannt?«
»Wenn, dann erinnere ich mich
nicht.« Sie schauderte zusammen. »Nur noch an eines: Ein Mann schrie. Ich
glaube, es war Art Stillman . Sie schleppten ihn
irgendwo hin, und er wollte nicht mitkommen. Schrie dauernd, es sei doch nur
ein Spaß gewesen.«
Das Telefon läutete, und ich hob
ab.
» Holman ?«
Eine Frauenstimme.
»Ja. Wer spricht?«
» Mrs. Heiskell . Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen.«
»Worüber?«
»Darüber, daß ich Mr. Bonetto von Ihrem Besuch erzählt habe«, sagte sie. »Sam
hatte zu große Angst, aber ich sah nicht ein, warum Sie noch mit teilweise
heilem Schädel herumlaufen und meinen Mann ins Bockshorn jagen sollen.«
»Eines muß man Ihnen lassen,
Vera«, meinte ich. »Ihre ganzen zwei Zentner bestehen aus purem Gift.«
»Mr. Bonetto hat sich bei mir bedankt.« Ihre Stimme klang triumphierend. »Ich soll mir keine
Sorgen mehr machen. Er wird sich der Sache annehmen.«
Ich legte auf. Samantha hielt
sich immer noch an ihrem Glas fest, die blauen Augen strahlend, aber nicht
neugierig.
»Dann war da noch etwas, Rick«,
nahm sie ihren Faden wieder auf, als hätte das Telefon nie geläutet. »Und zwar
eine ganze Menge greller Blitze.«
»Das ist alles?«
»Alles«, nickte
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