Blondes Gift
werden. Ja, die Menschen vertrauten ihm tatsächlich.
»Mir ging es ja genauso«, sagte die Blondine. »Ich hab dich gesehen und wusste, dass ich dir vertrauen
kann. Und wenn ich dir erst mal sage, warum, dann wirst du das, glaube ich, auch verstehen. Und mir vielleicht sogar verzeihen.«
Kelly öffnete ihren Mund und schloss ihn dann langsam wieder. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn und sah sich im Zimmer um.
»Zunächst muss ich dich aber um einen letzten Gefallen bitten. Sei bitte etwas nachsichtig mit mir.«
»Klar doch. Was du willst. Du hast mich vergiftet, du hast das Sagen.«
»Ich muss aufs Klo. Dringend.«
»Versuch’s mal in dem Zimmer mit dem weißen Sitz.«
»Sehr witzig, Jack. Aber ich brauche dich bei mir da drin.«
»Pass auf, ich verspreche, dass ich nicht abhaue. Ich muss schließlich rausfinden, warum du mich vergiftet hast. Und ehrlich gesagt, vielleicht entschließe ich mich dazu, dich für die Polizei hier festzuhalten.«
»Das ist es nicht. Ich kann einfach nicht alleine gehen.«
»Wovor hast du Angst? Ich hab’s dir doch gesagt: Ich werde da sein.«
»Du musst da drin bei mir sein.«
»Du bist ganz schön gestört, oder?«
»Jack, du kennst mich zwar erst seit ein paar Stunden. Aber inzwischen solltest du wissen, dass ich meine, was ich sage.«
Ich habe Ihren Drink vergiftet. Zweifellos wahr.
Du machst jetzt besser mit, oder du wirst sterben. Höchstwahrscheinlich wahr.
Ich muss mal auf Toilette … Ich kann nicht alleine gehen.
Okay, gib ihr einen Vertrauensvorschuss.
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich muss nur klein. Ich glaube, ich müsste sterben, wenn es das andere wäre. Wenn du wüsstest, was ich durchgemacht habe, als das der Fall war.«
Jack hatte keine Ahnung, wovon sie redete; es war ihm auch völlig egal. Er wollte Antworten. Na schön, sie musste in seiner Gegenwart pinkeln, also los. Wenigstens hatte er dann eine amüsante Geschichte, die er Donovan Platt morgen erzählen konnte: Mensch, Don, ich hatte da diese Blondine auf meinem Hotelzimmer. Und sie wollte, dass ich ihr beim Pinkeln zusehe. Scharfe Sache, was?
Kelly half ihm aus dem Bett – er war immer noch ein wenig zittrig und benommen -, und er schlurfte ihr ins Bad hinterher. Es bestand aus der typischen Hotelausstattung: einer Badewanne mit Dusche und einem Waschbecken, dazu Handtücher, die so gründlich gereinigt worden waren, dass man das Bleichmittel förmlich im ganzen Raum riechen konnte. Jack saß auf dem Wannenrand und sah zu, wie Kelly ihren Gürtel löste und die Jeans aufknöpfte. Sie öffnete den Reißverschluss, dann hielt sie inne.
»Du brauchst nicht zuschauen.«
Jetzt beschuldigte man ihn auch noch, ein Spanner zu sein.
»’tschuldigung.«
Jack drehte den Kopf zur Seite und starrte auf eine weiße, rechteckige Kachel an der gegenüberliegenden Wand. Die Verfugung ringsum saß etwas locker. Er hörte das Rascheln einer Jeans, die an einem Paar Beine hinunterrutschte, gefolgt von einem Schlüpfer, wie er annahm. Das gäbe ein weiteres großartiges Bild für seine Frau ab. Jack, allein in einem Badezimmer mit einer Blondine, die ihre Hose runtergelassen hatte. Aber Liebling, ich kann dir das erklären. Ich hab die ganze Zeit eine Wand mit Fliesen angestarrt. Ich weiß nicht mal, ob sie eine echte Blondine ist.
Sie legte los, und es entstand eine unangenehme Pause. Das Wasser, das auf Wasser traf, war so laut wie der Hoover-Staudamm.
»Also … ist das, na ja, eine nervöse Störung?«
»Keineswegs. Du hast gesagt, du hast Familie. Bist du nie mit deiner Frau zusammen im Badezimmer?«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.« Nicht seit sie die Scheidung eingereicht hatte. »Wir haben immer sehr auf unsere jeweilige Intimsphäre geachtet.«
»Ich dachte, Männer wären da etwas lockerer. Ich hatte was mit’nem Typen, der liebte es, seine Geschäfte bei sperrangelweit geöffneter Tür zu erledigen. Er spazierte nackt durch meine Wohnung. Der hatte so gar kein Schamgefühl. Andererseits hatte er durchaus was, auf das er stolz sein konnte. Und vermutlich eine exhibitionistische Ader.«
»Schön, ich nicht.«
Jetzt, wo er darüber nachdachte … das einzige
Mädchen, das er jemals auf der Toilette gesehen hatte, war seine Tochter Callie. Nämlich als sie geübt hatte, aufs Klo zu gehen. Als sie drei wurde, war schlagartig Schluss. »Ich will allein sein, Papa«, sagte sie eines Tages zu ihm. Das brachte ihn zum Lachen und brach ihm gleichzeitig das Herz.
Kelly war
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