Blondine ehrenhalber
Wand wird nicht übermalt«, entschied sie.
Clarissa seufzte. Der missbilligende Ton ließ Frank zusammenzucken. Clarissas plötzliches Auftauchen hatte bewirkt, dass Franks düstere Stimmung sich in überschaubare, mundgerechte Häppchen aufspaltete, die sie kauen, verdauen und wieder ausscheiden konnte. Frank hatte in ihrem Leben nicht viele enge Freunde gehabt, meistens nur Bekannte und Kollegen. Sie wusste aber, dass sich mittels Freundschaft manche bittere Pille im Leben leichter schlucken ließ. Demnach war Clarissa — so dachte sie — ihre neue Freundin. Ihre Anwesenheit erleichterte ihr gewissermaßen das Atmen. Frank hätte Clarissas Begeisterung unwahrscheinlich gern geteilt. Sie hätte gern gewusst, was Clarissa wohl unter bitteren Pillen verstand. Aber welche Probleme konnte so eine höhere Menschenrasse schon haben?
»Um das Geschäft zu retten, müssen wir weit greifende Änderungen vornehmen. Das weißt du doch, Francesca«, meldete sich Clarissa zu Wort.
»Denk doch an das ergreifende Bild.«
Noch ein Seufzer. Clarissa legte ihre langen, beringten Finger auf Franks Schulter. »Du brauchst die Wand wirklich, stimmt’s? Sie ist so eine Art Stütze für dich, nicht wahr?«
Frank fühlte sich plötzlich verletzlich. »Nein, so kann man das nicht sagen.«
»Sie gibt dir Halt. Eine tragende Wand.«
»Eigentlich nicht«, antwortete Frank.
»Umso besser«, entgegnete Clarissa, »denn wir müssen das Ambiente komplett verändern. Sonst verlierst du den Laden, das ist sicher. Und dass dieses Wandbild zu idyllisch ist, das weißt du genau. Wir müssen es hinausschmeißen, denn wir brauchen frischen Wind. Und ein neuer Pächter würde es sowieso überpinseln. Alles oder nichts, das Bild muss weg. Die Frage lautet also nicht: überstreichen oder nicht? Die Frage lautet: Welche Farbe sollen wir nehmen?«
Frank schluckte und ihre Entschlossenheit schwand dahin. Clarissa hatte nur ein Ziel vor Augen: Zahlungsfähigkeit, so schnell wie möglich, und Frank bewunderte ihre Geradlinigkeit. Ihr wurde klar, dass sie alle Sentimentalitäten über Bord werfen musste, denn allein die Rettung ihres Cafés zählte, ihres Erbes und ihrer Zukunft. Und ihre Selbstachtung. Sonst war da nicht mehr viel, wofür es sich zu kämpfen gelohnt hätte. Nach einer Pause sagte sie schließlich: »Braun. Schokoladenbraun.«
»Ich dachte an flieder«, entgegnete Clarissa, »und laven-delfarbene Wandleuchter.«
»Was kostet heutzutage so ein Leuchter?«, wollte Frank wissen. »Wenn einer mehr als 39 Cent kostet, müssen wir passen.«
»Ich bezahle sie«, erklärte Clarissa. »Ich verfüge über etwas Geld — verstorbene Erbtante. Ihr könnt es mir zurückzahlen, wenn der Rubel erst einmal rollt.«
»Mein Schuldenberg türmt sich schon hoch genug auf«, klagte Frank. »Einige hundert Dollar?«
»Ich brauche mindestens dreitausend Dollar für eine anständige Neueröffnung.«
Clarissa hätte genauso gut fünfzigtausend Dollar sagen können. »Und wenn wir es nicht wieder einnehmen? Was ist dann?«, fragte Frank.
»Es wird klappen.«
Frank hatte über ein derartiges Selbstvertrauen schon einmal etwas gelesen, vielleicht in irgendeinem Pathologiebuch, das sie besprochen hatte. Aber Clarissas Zuversicht steckte an. Alles an Clarissa machte Frank zuversichtlich. »Flieder ist genial«, antwortete sie deshalb.
Während der Renovierungsarbeiten wurde das Barney Greenfield’s geschlossen. In drei Tagen sollte es unter dem Namen Romancing the Bean wieder eröffnet werden. Clarissa plante den Wettbewerb für Freitag. Mit der Eröffnungsparty — dem Eröffnungswettbewerb — sollte die Werbetrommel gerührt werden. Clarissa hatte sich in den Kopf gesetzt, das Ganze am Freitagabend steigen zu lassen, und bis dahin waren es nur noch vier Tage. Frank vermochte sich nicht vorzustellen, alles in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, aber wenn es jemandem gelang, dann sicherlich Clarissa. Und so wagte Frank an die Zukunft zu denken, ohne zusammenzuzucken, wenngleich Optimismus jungfräuliches Terrain für sie war. Diese positive Perspektive betrachtete sie als einen bedeutenden Schritt für ihren persönlichen Neubeginn. Sie wusste, das Schicksal des Cafés war untrennbar mit ihrem eigenen verknüpft.
Dienstag
Als Claude und Mabel auftauchten, stellten Frank und Amanda sich den beiden vor. Mabel war ein eher dunkler, kräftiger und schweigsamer Typ. Er vollführte eine knappe Verbeugung vor den Schwestern und begann umgehend damit,
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