Blondine ehrenhalber
Piper Zorn hatte sie geknipst. Clarissa stand neben Zorn und lächelte tückisch.
»Fein, dass ihr beiden so gut miteinander auskommt. Es sieht aus wie der Beginn einer wundervollen Freundschaft«, sagte Clarissa und betonte dabei das Wort Freund. Sie drehte sich zu Piper und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank, dass du hergekommen bist. Ich rufe dich morgen an.«
Sie wartete, bis Piper zur Tür draußen war. Dann sagte sie zu Walter: »Wenn wir jetzt gehen, schaffen wir es noch.«
»Ja, stimmt. Das habe ich total vergessen.« Dann wandte er sich an Frank: »Wir haben Karten für ein Konzert. Tut mir Leid, Francesca. Aber ich komme bald wieder und bringe alle meine Freunde mit. Dann locken wir sämtliche Frauen im Umkreis von fünfzig Meilen an. Mit mir ist dein Café sicher. «
»Aber du bist mit mir nicht sicher«, ergänzte Clarissa, nahm ihn beim Arm und führte ihn nach draußen in die kalte Nacht.
Jetzt, da sie ausgeträumt hatte, musste sie wieder daran denken, dass Walter sie nie Clarissa vorziehen würde. Sie durfte sich keine Hoffnungen machen oder irgendwelchen Erwartungen hingeben. Letztendlich würde sie doch nur wieder enttäuscht. Außerdem, selbst wenn er interessiert wäre, Frank würde niemals ihre Freundschaft mit Clarissa aufs Spiel setzen. Die musste mehr wert sein als jeder Mann. Deshalb beschloss Frank, Walter aus ihrem Kopf zu verbannen und sich wieder wie gewohnt einsam und altjüngferlich ihren Geschäften zu widmen.
Auch wenn sie das umbrachte.
Kapitel 10
Der Polizist war süß. Er sah wild und kuschelig zugleich aus, war groß und zweifellos italienischer Abstammung. Jüdische Mädchen fühlten sich zu Italienern hingezogen, denn anscheinend respektierten sie die Frauen, waren kinderlieb und achteten die Familie. Amanda musste den Hals recken, um sein dunkles Gesicht zu sehen. Sie überlegte für einen Moment, wie es wohl wäre, mit ihm zu schlafen. Groß wie er war, könnte er sie bestimmt hochheben und in der Luft herumwirbeln wie eine bewegliche Puppe. Sie wäre machtlos gegenüber seiner Kraft und Männlichkeit. Amanda lächelte den Polizisten an und fragte sich, ob er ihre Gedanken wohl ahnte, denn er erkundigte sich nach ihrer Telefonnummer. Das wunderte sie nicht, doch statt ihre eigene auszuhändigen, verlangte sie im Gegenzug die seine. Amanda würde sich nie einen attraktiven Mann entgehen lassen, der Interesse an ihr zeigte, aber im Augenblick konnte sie sich nicht vorstellen, an irgendjemandem Gefallen zu finden. Schließlich trauerte sie noch um Chick, ihre letzte große Hoffnung, einen echten Seelenfreund zu finden.
Sie verabschiedete sich mit einem hübschen Lächeln von dem Polizisten und ging nach oben in ihre Wohnung. Heute Nacht würde sie ihr Schlafzimmer wirklich nur zum Schlafen nützen. Frank würde das Geschäft schon managen. Zwar konnte man auf Amanda normalerweise immer zählen, sie war Balsam für jede gesellschaftliche Runde. Aber nachdem sie den ganzen Tag über nur Unerfreuliches erlebt hatte, war sie nicht mehr zu Smalltalk fähig. Sie dachte nicht einmal mehr daran, ihre Nachtcreme aufzutragen, bevor sie sich auszog und in ihrem pinkfarben tapezierten Zimmer ins kuschelig weiche Himmelbett schlüpfte. Die Tochter von Paul und Sylvia, die ihre Mutter am Ärmel gezupft und »Komm, gehen wir« gesagt hatte, ging ihr nicht aus dem Kopf. Schuld, Schuld und immer wieder Schuld. Amanda durchforstete ihr Gedächtnis nach Indizien für Pauls heimliche Liebe. Er hatte ihr oft zugelächelt. Und Drinks spendiert. Wenn sie sich in der Bar zu einer Verabredung einfand, hatte er oft die Augen verdreht und ungefragt Ratschläge erteilt. Aber die meisten Männer behandelten Amanda auf diese Weise. Brannte etwa in jedem ihrer Bekannten eine heimliche Leidenschaft für sie? Welch grauenhafte Vorstellung! Einfach absurd. Sie wusste, dass gutes Aussehen sehr hilfreich sein konnte, ein Werkzeug, aber es war nicht immer gleich ein Hammer. Sie sah Chick vor sich, den Schädel zertrümmert, und weinte im Dunkeln.
»Alles ist schief gelaufen«, klagte sie. Und angefangen hatte es in dem Augenblick, als Clarissa zur Tür hereinkam. Nein, das war unmöglich, ein Mensch bescherte doch kein Unglück. Sie dachte an das Unheil verkündende I Ging, das Frank geworfen hatte. Dann schloss sie die Augen und versuchte zu schlafen.
Sie musste für eine Weile eingenickt sein. Jedenfalls hatte sie Frank nicht kommen hören. Die Digitaluhr neben ihrem Bett
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