Blondine ehrenhalber
weil er Amanda gesehen hatte. Er fragte mich, was ich über dich wüsste. Ich wusste nichts. Das war dann auch schon die ganze Unterhaltung.« Er konzentrierte sich wieder auf seine Spiegeleier.
»Wie hast du dich denn in den Keller geschlichen?«, wollte Frank wissen. »Hast du dich in den Klos versteckt? Gewartet, bis wir weg waren...«
»Besser als das Lukentürschloss zu knacken wie Chick«, sagte er. »In der Nacht, als Morton ihn rausgeschmissen hatte. So ist er reingekommen.«
»Ich muss mich hinlegen«, sagte Amanda und tat es. Mitten in der Nische. Typisch, dieses theatralische Getue, dachte Frank. Sie setzte sich auf die Seite von Matt, damit ihre Schwester mehr Platz hatte. »Amanda«, sagte Frank, »wenn du und Chick dafür gemacht worden wärt, zusammen zu sein, dann wäre er jetzt nicht tot. Das meine ich jetzt absolut nett.« Gott sei Dank war Chick nicht in ihrem Keller gestorben. »Ich hätte zu gerne so eine Bohne gesehen«, sagte Frank laut zu sich selbst.
»Zahlst du das Frühstück?«, fragte Matt.
»Klar«, antwortete sie.
»Weil du so freundlich bist.« Matt griff in seine Jeanstasche, zog eine Serviette heraus und faltete sie vorsichtig auseinander. Zum Vorschein kamen sieben dunkelblaue, fast wie Immergrün aussehende Perlkaffeebohnen. Perlbohnen sind klein und rund. Sie entstehen nur selten in der Natur, wenn eine Beere — im Gegensatz zu den üblichen zweiflügeligen Samen — nur einen Samenkern hat. Aus irgendeinem Grund enthält die tansanische Ernte von Robusta-Bohnen, die am Fuß des Kilimandscharo wachsen, eine Menge Perlbohnen. Aber diese rohen Samen sind grün. Die blauen Bohnen hatten fast kein Aroma und deshalb sicher auch keinen Geschmack mehr. Noch nie hatte Frank so etwas gesehen.
»Amanda, hast du schon einmal etwas von vietnamesischem Kaffee gehört?«, fragte Frank.
Amandas Stimme kam schwach unter dem Tisch hervor. »Nein.«
Frank auch nicht. Sie versuchte, sich die Topographie von Vietnam vorzustellen. Sie wusste, dass es dort Dschungel und Strände gab, aber sie war sich nicht sicher, ob sich dort Berge befanden, die hoch genug für das Gedeihen von Arabica-Pflanzen waren. Die einzigen pazifischen Kaffeeregionen, die Frank ein Begriff waren, waren China, Indonesien und Hawaii. »Hat Chick sie dir gegeben?«
»Er hat sie im Keller gelassen«, antwortete Matt.
Frank roch noch einmal an den Bohnen. »Wirklich seltsam.« Sie faltete die Serviette zusammen und steckte sie in ihre Hosentasche.
»Ich glaube nicht, dass diese Bohnen Glück bringen«, sagte Matt. Das machte Amanda wieder wach.
»Bist du etwa auch abergläubisch?«, fragte Frank. Ein Hinterhalt, dachte sie.
»Chick brachten sie jedenfalls kein Glück. Aber vielleicht ging das Unglück ja auch von euch beiden aus«, meinte er. »Vielleicht sind es gar nicht die Bohnen. Vielleicht seid ihr beiden Mädels das Problem. Über euren Köpfen schwebt eine dunkle Wolke. Man sieht sie fast.« Nach dieser finsteren Erklärung betrachtete Matt die beiden Schwestern ernst, eine nach der anderen. Dann blickte er Frank direkt in die Augen und fragte: »Isst du deine Kartoffeln nicht?« Frank schob ihm den Teller zu.
Es war ungefähr sechs Uhr, als sie zahlten. Mit dem Wechselgeld wollte Amanda ein I Ging werfen. Matt und Frank schauten zu. Das Muster: Kopf, Zahl, Zahl, Zahl, Zahl und Zahl ganz oben.
Amanda seufzte. »Berg über Erde. Der Berg stürzt und zermalmt ein solides Fundament.«
»Zum Glück ist das I Ging absolut bedeutungslos, sonst würde ich mir jetzt noch mehr Sorgen machen als üblich«, gestand Frank.
In dem Moment betrat Harry, der Sohn des Park-Plaza-Besitzers, das Restaurant, um seinen Dienst anzutreten. Er trug einen schweren Schneeparka und hatte ein Exemplar der Post dabei. Als er Frank und Amanda entdeckte, kam er umgehend an ihren Tisch. Er lächelte nicht.
»Heute schmeckt der Kaffee besser«, sagte Frank.
Harry nickte. »Wir haben uns zu Excelso aufgewertet.« Kolumbianischer Excelso.
Das soll eine Aufwertung sein?, dachte Frank. Das war wirklich kein besonders hochwertiger Kaffee. »Tut mir Leid für euch«, sagte Harry und reichte Frank die Sonntagsausgabe der Post. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: schüsse im mörder-café . Sie überflog schnell den Artikel, der aus der Feder von Piper Zorn stammte, mit Fotos vom vergangenen Abend. Frank und Amanda wurden mit den Borgia-Schwestern verglichen. Zorn spielte auf »möglicherweise giftige koffeinhaltige Tränke« an. Der
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