Blondine ehrenhalber
mal einer helfen?« Er stand auf einem Stuhl und versuchte, fünf Ein-Pfund-Säcke mit ganzen Kaffeebohnen von einem hohen Regal herunterzuhieven.
»Sekunde«, antwortete Amanda. Sie hob den Sack Costa Rica auf, den Frank mitgebracht hatte. »Du warst im Porto Rico?«, fragte ihre Schwester.
»Brant hat bestätigt, dass die Bohnen aus Vietnam kommen.«
Jetzt konnte Amanda die Tatsachen nicht mehr abstreiten. »Du weißt, was das heißt«, sagte sie. »Chick hat mich angelogen.« Nach Amandas Vorschriften war eine Lüge, jegliche Lüge, ein Schlag in die Magengrube der Liebe. Und so früh in ihrer Beziehung. Praktisch von dem Augenblick an, als sie sich kennen gelernt hatten. Das Schlimmste war, dass die Lüge anscheinend absolut nutzlos gewesen war. Er hatte gesagt, er sei in Jamaica gewesen, war aber tatsächlich in Vietnam gewesen. Wen interessierte das? Warum log er wegen so etwas Unbedeutendem?
Sichtlich in Bedrängnis rief Matt vom anderen Ende des Raumes: »Ich brauche etwas mehr Hilfe!«
Frank stand auf und nahm den Sack Costa Rica mit. Sie befreite Matt von seiner Last und reihte die frischen Säcke mit den ganzen Bohnen auf der Theke auf. Amanda sah zu, wie Frank in jeden Sack einzeln hineinroch, um die Frische und den Kick zu prüfen.
Matt sprang vom Stuhl hinunter, wischte sich die Hände an seinem T-Shirt ab und sagte: »Ich würde gern Mittagspause machen.«
»Geh nur«, sagte Frank.
Matt lächelte. »Amanda, kommst du?«
Frank zog die Augenbrauen hoch und Amanda spürte einen Hauch von Verlegenheit. »Ich werde schon meine Frau stehen«, bemerkte Frank.
»Gib mir zehn Minuten«, sagte Amanda zu Matt. Sie musste ihr Make-up auffrischen. »Wir treffen uns vor der Tür.«
Bis sie fertig war, war Matt zum Supermarkt und wieder zurück gelaufen. Er hielt eine Tüte voller Lebensmittel im Arm.
»Folge mir«, sagte er.
Die beiden liefen in den Januar-Vormittag hinaus. Nur einige Passanten erkannten Amanda. Zu ihrer großen Erleichterung deutete niemand auf sie und es wechselte auch keiner schreiend auf die andere Straßenseite. Sie liefen die Montague Street geradeaus hinunter bis zum East River.
»Wohin gehen wir?« Amanda fror bitterlich. Ihr Mantel war nicht warm genug für das eisige Wetter, aber dafür sehr schick.
»Da wären wir«, sagte Matt.
Sie standen am Eingang zur Brooklyn Heights-Promenade, vor der George Washington/Battle of Long Island-Gedächtnistafel. »Ich dachte, es wäre nett, draußen zu essen«, erklärte Matt.
»Im Freien?«, fragte sie. »Wie romantisch.«
»Machst du dich über mich lustig?«
Amanda fürchtete, ihn wirklich verletzt zu haben. »Die Schiffe sehen schön aus«, sagte sie. Ein paar Frachtschiffe trieben den East River hinunter, direkt unter dem wunderschönen Stahlseilkreuzgitter der Brooklyn Bridge hindurch. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem Wasser und den fünfzigstöckigen Hochhaustürmen der Wall Street aus Glas und Stahl auf der anderen Seite des Flusses. Die Promenade im Winter. Kein Lärm. Keine stinkenden, überquellenden Abfalleimer. Keine Apple Tours-Busse, die Abgase in die Luft bliesen und deutsche Touristen in kurzen Hosen ausspuckten. Nur frische Luft, ein atemberaubender Blick und Frieden. »Wenn wir uns in die Sonne setzen können, bin ich einverstanden.«
»Wir können uns ja aneinander kuscheln und gegenseitig wärmen.«
»Vergiss es«, warnte sie ihn.
»Amanda, warum glaubst du, dass jeder Mann, der mit dir Zeit verbringen will, darauf aus ist, dich nackt zu kriegen?«, fragte er.
»Bist du das etwa nicht?«
»Nein. Bin ich nicht.«
»Gut.« Diese Art Lüge akzeptierte Amanda. Matt schwindelte ja nicht eine ganze Geschichte über sich zusammen, wie Chick es getan hatte. Sie betrachtete die Sonne auf dem Wasser und überlegte erneut, was sie Chick schuldig war. Musste sie immer noch mehr über einen Mann herausfinden, der sie vorsätzlich daran hindern wollte, ihn kennen zu lernen? Sollte sie seinen Wunsch, zu Lebzeiten mysteriös zu bleiben, respektieren oder weiterhin versuchen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen?
»Setzen wir uns hin und essen?«, fragte Matt. »Ich sterbe vor Hunger.«
Auf der Hälfte der Promenade setzten sie sich auf eine Bank, die in der Sonne stand. Amanda sah nach Westen Richtung New Jersey mit Blick auf die Freiheitsstatue. »Avocado«, sagte Matt, zog etwas ovales Grünes aus seiner Einkaufstüte und legte die fettige Frucht zwischen sie auf die Bank. Dann holte er Stück für Stück aus
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