Blondine ehrenhalber
Nähe.« Paul begann heftig zu niesen. Da keiner von ihnen ein Taschentuch hatte, wischte er sich die Nase am Ärmel ab. Amanda versuchte, seine Stirn zu fühlen, um zu sehen, ob er Fieber hatte. Doch er wehrte sie ab: »Komm nicht in meine Nähe!«
»Tut dir meine Berührung weh wegen deiner heimlichen Liebe?« Sie war etwas pikiert, dass er behauptete, nichts für sie zu empfinden.
Paul stöhnte. »Sylvia hat gelogen. Ich liebe dich nicht. Ich hasse dich. Ich hasse dich für das, was du meinem Leben angetan hast. Und vor allem hasse ich diesen... diesen jugendlichen Delinquenten.«
Matt gefiel die Beleidigung gar nicht. »Du folgst uns besser nicht mehr, sonst beschmiere ich dein Haus mit Graffiti.«
»Du und dieser Idiot sind ein >uns«, fragte Paul. »Du angelst dir einen Versager nach dem anderen.«
»Der Versager bist du, Dreckskerl«, bellte Matt.
»Ich versuche doch nur, dir zu helfen, Paul«, sagte Amanda.
»Erstick doch an deiner Hilfsbereitschaft«, erwiderte er. Mit unvermuteter Energie gab er Matt einen Tritt und rannte über die Promenade davon. Amanda lief ihm nach, stolperte aber über eine Steinplatte. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, war er verschwunden.
Matt stand direkt hinter ihr. »Er ist noch nicht weit gekommen. Los.«
»Nein«, sagte sie und legte Matt eine Hand auf den Arm. »Lass ihn. Ich besuche ihn nachher zu Hause.« Sie liefen zur Bank zurück, um den Lunch einzupacken. Der Appetit war ihr vergangen.
»Sag bloß nicht, dass er dir die Stimmung verdorben hat«, sagte Matt.
»Glaubst du, Paul hat das so gemeint, als er sagte, er würde mich hassen? Ich weiß, Liebe und Hass liegen nahe beieinander. Er wirkte so böse. Und erschrocken.«
»Das mit der heimlichen Liebe kaufe ich ihm nicht ab«, antwortete Matt.
»Warum nicht?«
»Niemand könnte heimlich in dich verliebt sein«, fuhr er fort. »Niemand könnte so etwas für sich behalten. Er müsste dir sagen, was er fühlt.« Plötzlich — und unbeholfen — stürzte sich Matt auf Amanda und nahm sie in die Arme. Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, als er sie zu küssen versuchte.
Danach ließ er sie wieder los. Amanda taumelte einige Schritte zurück und er grinste, halb schuldbewusst, halb verlegen. Die Sonne strahlte von seinen winterlich weißen Wangen zurück. »Ich mag dich, Matt«, sagte sie. »Du bist leidenschaftlich. Du hast Ideen. Aber fass mich nie wieder so an.«
»Ich krieg dich schon noch. Das kannst du mir glauben«, sagte Matt.
Kapitel 15
Es war Abend, die Sonne schon vor Stunden untergegangen. Frank hatte den ganzen Tag über Kaffee serviert und sich Sorgen gemacht. Aber statt des Ladens beschäftigte sie diesmal ihr Privatleben: die Verabredung mit Walter, der Gedanke, Clarissa hintergangen zu haben, die Angelegenheit mit Piper Zorn. Außerdem irritierte sie Matts und Amandas Verabredung zum Lunch. Doch sie fand, dass das eine gute Abwechslung von ihren üblichen Tagträumen von Armut und Ruin war. »Aber ist es auch leichter?«, fragte sie sich selbst.
»Bitte?«, fragte der Gast, den sie gerade bediente.
Frank musterte die Frau. Sie war ungefähr vierzig, in Wollmantel und Mützchen gehüllt, Augen und Mundwinkel umspielten unzählige Lachfältchen. Ihr Gesicht war pummelig, aber freundlich. Sie lächelte Frank unsicher an: »Haben Sie mit sich selbst gesprochen?«
Frank wusste nicht, was sie antworten sollte, und murmelte: »Hier ist Ihr Wechselgeld.« Hätte Amanda dieses freundliche, wohlwollende Gesicht gesehen, die Geheimnisse ihrer Seele wären nur so herausgesprudelt. Frank hatte es immer irritiert, wenn Menschen Fremden ihr Herz ausschütteten. Ermächtigte einen ein kompliziertes Privatleben dazu, sich bei jedermann Rat zu holen? Frank konnte sich genau vorstellen, wie das Gespräch zwischen ihr und der krähenfüßigen Frau verliefe. Sie würden sich an einen der neuen Formica-Tische setzen und plaudern: Sollte Frank eine neue Freundschaft eingehen oder versuchen, sich auf eine riskante Beziehung mit einem Mann einzulassen, den sie kaum kannte, oder sollte sie sich besser in Sicherheit bringen und alle Gefühle von sich weisen?
»Schönen Tag noch«, sagte die Frau, nahm ihre Tasse und verschwand.
Wieder eine verpasste Gelegenheit, dachte Frank. Diskrete Seelen waren sehr einsam.
Amanda und Matt kamen am frühen Nachmittag zurück. Dann arbeiteten die drei ununterbrochen bis zum Abend. Gegen 18 Uhr wurde es etwas ruhiger.
»Clarissa muss gleich kommen«, sagte Amanda.
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