Blondine ehrenhalber
das blaue Kleid da.«
»Das da?« Amanda zog ein langärmeliges marineblaues Reyonkleid mit Empire-Taille aus dem Regal. »Das ist zu mädchenhaft für dich.«
»Lass es mich probieren.« Frank schlüpfte in das Kleid. Es war groß, aber es saß. Sie drehte sich um die eigene Achse, so dass das Kleid in die Höhe flog. Das Gefühl gefiel ihr. Der Spiegel schmeichelte. Frank war der Meinung, das Kleid war leger genug, dass es zu ihr passte. Walter sollte auf keinen Fall denken, sie hätte sich ihm zuliebe verkleidet.
Amanda nickte Frank zu. »In das Kleid hätte ich dich nie gesteckt, aber ich muss sagen: Du siehst hinreißend aus.«
Bumm. Ein Besenstiel hämmerte gegen die Decke. Matt brauchte Hilfe. »Zwei Minuten für das Make-up und dann gehen wir«, sagte Amanda.
In nur wenigen Sekunden hatte sie Franks Gesicht mit Grundierung, Rouge, Wimperntusche, Lidschatten und Lippenstift bearbeitet. Fehlte nur noch der letzte Schliff: Amanda arrangierte Franks glatte Haare zu einem französischen Knoten und ließ einige Strähnen locker ins Gesicht fallen. Die Haarklemmen bohrten sich in ihre Kopfhaut. Frank zog schwarze Strümpfe und Doc Martens an. Amanda schlug Stöckelschuhe vor, aber Frank schüttelte den Kopf. Stöckelschuhe wären zu viel des Guten. Sie machte sich sowieso schon genug Gedanken, ob die neue Frisur nicht ein deutliches Beispiel für Wollen-aber-nicht-Können war. Die Schwestern warfen ihre Jacken über und rannten nach unten.
Im Romancing the Bean war wieder der Teufel los. Amanda ging schnurstracks hinter die Theke, um Matt zu helfen. Frank betrat das Café und zog langsam ihren Mantel aus, verlegen wegen ihres Outfits. Sie sah Clarissa am Buffet Hof halten. Einige Frauen standen wie angewurzelt um sie herum und lauschten ihrer wiederholten Erzählung, was sich am Abend zuvor abgespielt hatte — die Feuerwerkskörper, die Polizei. Weiter hinten im Café gab es noch einen größeren Gästeauflauf. Frank spazierte darauf zu und hörte seine Stimme. Walter.
Sie bahnte sich einen Weg zum vorderen Teil der Gruppe. Zirka ein Dutzend Frauen saßen um einen Tisch. Walter saß auch dabei. Er hatte seine Beine, die in Flanellhosen steckten, übergeschlagen und hielt eine Kaffeetasse in seinen langen Fingern. Frank nahm den Faden seines Monologs auf: »Da stand ich nun also Mitte Januar am Strand von Bermuda und hatte nichts weiter an als karierte Shorts und Teva-Sandalen. Die Mädchen trugen alle Bikinis, diese Lycra-Baumwoll-Zweiteiler von J. Crew, wisst ihr, oben pink und unten orange. Sehr sexy.« Walters Augen blickten ausdruckslos auf und wanderten abschätzend über Franks Outfit und wieder zurück. Dann sprach er weiter. Er schien weder erfreut noch enttäuscht: Er hatte sie gar nicht erkannt.
Frank wich vom Tisch zurück, der Atem stockte ihr in der Brust. Sie fasste nicht, dass sie ihre Hoffnungen auf diesen Mann gesetzt hatte, war frustriert und schämte sich. Am liebsten hätte sie sich das Kleid vom Leib gerissen und die Schminke abgewischt. Sie wich zurück, ohne zu sehen, wohin, und stieß mit jemandem zusammen.
Sie drehte sich um und wollte sich entschuldigen. Clarissa stand vor ihr, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. »Mensch, Francesca. Wie siehst du denn aus! Ich traue kaum meinen Augen. Was ist der Anlass? Großes Rendezvous?« Bei jedem Wort, das aus Clarissas Mund wie von einem Bogen abgeschossen kam, fühlte sich Frank lächerlicher. Sie dachte, sie müsste sich übergeben.
Stattdessen explodierte sie. »Weißt du was, Clarissa? Du kannst ihn haben. Er gehört dir. Ihr beiden werdet wahnsinnig glücklich werden in eurem Plastikleben.« Die Stimme versagte ihr.
Clarissa klimperte mit den Wimpern. »Was hast du denn?«, fragte sie.
Frank wusste nicht genau, warum sie Clarissa beleidigte. Sicher war es nicht der beste Weg, ihre Freundschaft zu gewinnen. »Wir werden niemals Freunde«, hörte sich Frank sagen, »denn wir haben nichts gemeinsam. Rein gar nichts. Es gibt keine noch so kleine Gemeinsamkeit, nichts, was wir je zusammen machen oder worüber wir uns unterhalten könnten.«
Die schöne Blonde bewahrte die Fassung und blieb ruhig. »Beruhige dich, Francesca«, beschwichtigte Clarissa, ohne jede Spur von Wärme in der Stimme.
»Allmählich frage ich mich, ob dir das Romancing the Bean wirklich am Herzen liegt«, sagte Frank.
Amanda war im Nu an die Seite ihrer Schwester gekommen. Sie flüsterte ihr ins Ohr: »Tief atmen, ein, aus. Ein, aus.«
»Halt die Klappe,
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