Blondine ehrenhalber
McCartney, Grace Court Alley 5, und zwei Enkelinnen, Tracy und Betina McCartney.«
»Ich glaube, ich habe einmal gehört, dass er geschieden ist. Lucy Phearson?«
»Sie ist anscheinend so etwas wie eine Schriftstellerin. Ein Praktikant hat im Internet nach ihr gesucht, sie hat einige religiöse Gedichte auf irgendwelchen christlichen Websites veröffentlicht.«
Lucy Phearson konnte doch nicht Lucy sein, die alte Dame, die Verrückte, die auf die Bibel pochte und die Familie verteidigte? Sie war etwas zu alt dafür, Todds Exfrau zu sein.
Frank rückte in der Schlange auf. »Wenn du mit mir wartest, bekommst du dein Geld gleich«, sagte sie zu Clarissa.
Die Blondine schüttelte den Kopf. »Ich hole es mir ein andermal, denn ich möchte Piper besuchen. Sie haben ihn in die Adams Street 233 mitgenommen. Das ist doch hier in der Nähe?«
Das Gerichtsgebäude des Brooklyn Municipal Courts war nur wenige Blocks entfernt. » Geh rechts herum bis zur Court Street und dann überquerst du den Platz bis zum Gericht«, erklärte Frank. Schließlich siegte ihre Neugierde. »Weshalb wurde Zorn verhaftet?«
»Der Praktikant wusste auch nicht genau Bescheid, was gegen ihn vorliegt, aber angeblich hat Piper einige gerichtsmedizinische Gutachten aus dem Long Island College Hospital in der Atlantic Avenue gestohlen.«
Franks Herz machte einen Satz. Die Frau von der Leichenhalle aus dem Krankenhaus! Frank hatte völlig vergessen, dass sie für Piper eine Verabredung entgegengenommen hatte, in seinem Büro. Sie musste laut auflachen.
»Ich glaube nicht, dass das sehr witzig ist, Francesca«, sagte Clarissa. Dann nahm sie Brieftasche und Schlüssel aus der Kate-Spade-Tasche und verschwand.
Frank rückte allmählich in der Schlange vor dem Automaten voran, bis sie wieder an der Reihe war. Sie erleichterte ihn um zwölftausend Dollar und stellte sich erneut in die Schlange. Sie wiederholte den Vorgang so lange, bis sie die fünfundfünfzigtausend Dollar in Clarissas Tasche gezwängt hatte. Die Handtasche war voll gestopft mit den Scheinen, darunter viele Zwanziger und Fünfziger — Frank schätzte, dass sie über zehn Kilo wog. Sie verließ die Halle mit den Geldautomaten und hoffte, dass niemand beobachtet hatte, wie sie bündelweise Dollarnoten in ihre Tasche gestopft hatte.
Neben dem komischen Gefühl, eine Summe mit sich herumzuschleppen, die für die Anzahlung eines Hauses genügt hätte, erfüllte Frank ein ganz neues Gefühl der Ruhe.
Es war erst 15.45 Uhr. Sie hatte über eine Stunde Zeit, die wenigen Blocks zum Heights Café zurückzulegen und den Tag zu retten. Sie beschloss, einen Zwischenstopp in ihrer Wohnung einzulegen, um einen Pulli überzuziehen, denn während sie sich in der Bank aufgehalten hatte, war es noch kälter geworden. Außerdem wollte sie die Handtasche gegen einen Matchsack eintauschen.
Als sie sich dem Haus näherte, bemerkte sie ein Polizeiauto, das vor dem Gebäude parkte. Die Lichter blinkten nicht — Gott sei Dank — , das wäre sonst der zweite höchst spektakuläre Besuch der Obrigkeit innerhalb der letzten Tage gewesen. Sie ging zur Wohnungstür und schickte sich gerade an, sie mit dem Schlüssel zu öffnen, als einer der Polizisten auf sie zukam. Es war ein großer, schlanker Mann mit Schnurrbart und einem dreiknöpfigen Baumwollanzug, einen ebensolchen Mantel darüber.
»Francesca Greenfield?«
»Ja?«, sagte sie und drückte die Tasche fest an sich.
»Mein Name ist Detective Carlos Luigi. Ich habe letztens Ihre Schwester kennen gelernt.«
»Als Sie Benji festgenommen haben.«
Er nickte freundlich. »Kennen Sie einen Mann namens Piper Zorn?«
»Leider«, erwiderte sie.
»Wir haben ihn verhaftet, weil man ihn beschuldigt, sich illegal über die Sekretärin eines Krankenhauses Informationen über eine Polizeiuntersuchung verschafft zu haben«, fuhr der Detective fort. »Inzwischen hat er jedoch ein größeres Verbrechen gestanden. Wir haben Grund, anzunehmen, dass Sie etwas mit dem Fall zu tun haben. Wir möchten Sie daher bitten mitzukommen, um einige Fragen zu beantworten.«
»Die Frau im Krankenhaus... Sie meinen die Gutachten? Ich weiß davon nichts«, sagte Frank.
Detective Luigi blinzelte. »Zorn hat einen Mordversuch gestanden.«
Die Tasche an Franks Schulter wog immer schwerer. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als in ihre Wohnung zu gehen und dann zum Heights Café hinüberzulaufen. »Wann hat dieser Mordversuch stattgefunden?«, fragte sie. »Ich habe die ganze
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