Blood Dragon 1: Drachennacht - Maeda, K: Blood Dragon 1: Drachennacht
eine Falltür, die Elisa nicht gesehen hätte, wenn die alte Frau nicht darauf gezeigt hätte.
Erstaunlich geschmeidig zog sie an der hölzernen Klappe und offenbarten darunter modrige Stufen, die aussahen, als wären sie in der Dunkelheit aus dem Stein gewachsen und nicht hineingehauen worden.
„Dort unten liegt der Schoß unseres Geschlechts“, sagte die Alte und ging hinunter. Sie bedeutete Elisa, ihr zu folgen und die Falltür zu schließen. Elisa tat, wie ihr geheißen. Als sie die alte Frau am Fuß der Treppe erreichte, drängte diese sich flink an ihr vorbei und eilte die Stufen wieder hinauf. Bevor Elisa reagierte, hatte die alte Frau die Falltür gerade genug aufgedrückt, um hinauszuschlüpfen. Für den Bruchteil einer Sekunde fiel ein Spaltbreit Licht in die Finsternis, und dann stand Elisa plötzlich allein in der Dunkelheit. Sie spürte Panik, wirbelte herum und lief, ohne etwas zu sehen, die Treppe hinauf. Sie drückte gegen die Tür, aber die bewegte sich keinen Zentimeter. Elisa schrie, schlug und hämmerte wie besessen gegen die Holzplanken, doch nichts geschah.
„Verdammte Vettel, lass mich hier raus!“ Plötzlich erfasste sie das gleiche Gefühl, das sie in der Kammer verspürt hatte, als sie die Bilder berührte. Die Welt verschob sich, und Elisa sackte auf die oberste Stufe.
Etwas glühte vor ihrem Gesicht auf. Elisa blinzelte, und aus einem Spiegel blickte ihr das eigene Gesicht entgegen. Sie hatte erwartet, dass sie wesentlich abgekämpfter aussehen würde. Stattdessen zierte ein sanftes Lächeln ihr Gesicht, und sie bemerkte keinerlei Augenringe oder Blessuren mehr. Und wo kam eigentlich der Spiegel her?
Elisa wich zurück, aber ihr Spiegelbild folgte ihr. „Das ist kein Spiegel, oder?“
Ihr Ebenbild schüttelte den Kopf, und in die sanfte Mimik schlich sich eindeutig etwas Erheitertes. Direkt vor Elisa auf der Treppe saß eine Frau in einem schlichten weißen Kleid. Elisas kannte ihr Gesicht so gut wie ihr eigenes, und als sie das verstand, war ihr klar, mit wem sie es zu tun hatte. „Elisabeth“, entschlüpfte es ihr.
„Willkommen im Schoss deiner Familie“, sagte Elisabeth und streckte beide Hände nach Elisa aus. Sie wich zurück.
„Das hier ist keine Vision, oder?“
Elisabeth wirkte enttäuscht über Elisas ablehnende Haltung, sagte aber nichts dazu. Stattdessen richtete sie sich auf und deutete auf die Stufen. „Es ist keine Projektion – das hier ist eine Art Faden, gesponnen zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Aus dem Grund kann ich auchmit dir sprechen.“
„Rede ich dann mit mir selbst?“, fragte Elisa. Elisabeth hatte begonnen, die Stufen hinunterzusteigen. Ein leichtes Glühen ging von ihr aus, das es Elisa ermöglichte, genau zu sehen, wohin sie trat. Zwar war sie Augenblicke zuvor im Dunkeln hier hinuntergegangen, aber mit Licht fiel es ihr doch wesentlich leichter.
„Ich bin nicht du, und du bist nicht ich“, antwortete Elisabeth. „Zwar trage ich einen Teil deiner Seele in mir, so wie du einen Teil meiner Seele in dir trägst, aber wir sind nicht ein und dieselbe Person. Du bist heute eine andere als die, die ich damals war.“
„Das ist verwirrend“, murmelte Elisa und stoppte am Fuß der Treppe. „Wie kommt es, dass wir so verbunden sind?“
Elisabeth runzelte die Stirn und hielt inne. Noch immer war es dunkel, nur ihr sanftes Glühen spendete ein wenig Licht. Sie machte einen Schritt nach vorn und hielt inne. Dann ging sie weiter. Nach etwa zehn Schritten bewegte sich der Boden unter ihren Füßen. Leise Wellen gingen von Elisabeths Fuß aus, und Elisa erkannte, dass die verstorbene Rumänin sich auf Wasser bewegte. „Unser Blut verbindet uns. Die Frauen, die du gerade gesehen hast, sind alle Nachfahrinnen unserer Familie. Aber du bist mehr. Du bist eine Verbindung aus meiner Liebe zu Mircea und seiner Sehnsucht nach uns.“
„Ich stamme von eurem Kind ab?“
Elisabeth lächelte. „Wir … ich bekam niemals Kinder. Aber du bist von meinem Blut, durch eine Ahnin von dir. Meine Schwester. Aber in dir ist mehr – du trägst die alte Magie in dir, und dich treibt die gleiche Sehnsucht, die auch mich damals gefangen hat.“
„Was bitte für Magie? Ich gehöre nicht zu diesen Esoterik-Gläubigen, die ihre Zukunft ausräuchern“, erwiderte Elisa und blieb am Rand des Wassers stehen. Auch Elisabeth bewegte sich nicht mehr, hatte sich aber zu ihr umgedreht, sodass sie sich direkt ins Gesicht blickten. Zwischen ihnen zeichneten sich
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