Blood - Ein Alex-Cross-Roman
warteten wir auf die Ergebnisse.
Ich betrachtete den mächtigen Hünen auf der anderen Seite des Schreibtisches, der mit Berichten von Verbrechen übersät war. »Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Informationen so wenig gebracht haben«, sagte ich missmutig.
»Jetzt weißt du, womit ich mich die ganze Zeit herumschlagen muss«, erwiderte er und quetschte dabei ununterbrochen einen Anti-Stress-Ball aus Gummi in der Faust herum. Wieso war das Ding eigentlich nicht schon längst in tausend Teile zerfallen?
»Dieser Kerl ist vorsichtig, scheint auch ziemlich schlau zu sein, und er ist grausam. Außerdem hat er sich ein ziemlich wirkungsvolles Druckmittel zugelegt, indem er diese Frauen mit seinen Andenken bedroht. Dadurch bekommt das Ganze eine persönliche Note. Nur, falls du noch nicht von selbst darauf gekommen bist«, sagte ich. Ich dachte nur laut nach. Manchmal hilft das.
Seit Neuestem hatte ich mir angewöhnt, ständig hin- und herzugehen. Während der vergangenen vierzehn Stunden hatte ich vermutlich zehn Kilometer Teppichboden hinter mir gelassen, alle in dem Besprechungszimmer des Polizeireviers des Zweiten Bezirks, wohin wir uns zurückgezogen hatten. Die Füße taten mir weh, aber damit hielt ich mein Gehirn auf Trab. Und mit Saurer-Apfel-Bonbons.
Am Morgen hatten wir damit begonnen, uns die gesammelten Verbrechensstatistiken der vergangenen vier Jahre anzuschauen und nach Fällen zu suchen, die möglicherweise mit unserem in Zusammenhang standen. Vielleicht stießen wir ja auf irgendeinen Hinweis, der uns behilflich sein konnte. Angesichts all dessen, was wir jetzt schon über unseren Täter wussten, hatten wir uns mit sämtlichen vermissten Frauen, mit Vergewaltigungen und besonders mit Verstümmelungen in Zusammenhang mit Mordfällen beschäftigt. Zuerst nur in Georgetown und anschließend im gesamten Stadtgebiet von Washington.
Um uns so gut wie möglich bei Laune zu halten, hatten wir im Radio »Elliot am Morgen« gehört, aber selbst Elliot und Diane war es an diesem Tag nicht gelungen, unsere Stimmung zu heben, so gut sie als Stimmungsaufheller sonst auch sein mochten.
Um nichts unversucht zu lassen schlugen wir noch einen zweiten Weg ein und nahmen uns alle ungelösten Mordfälle vor. Das Ergebnis dieser Suche war eine Liste mit potenziell zusammenhängenden Fällen, die ebenso lang wie ohne Erfolgsaussichten war.
Aber der heutige Tag hatte auch sein Gutes gehabt. Mena Sunderland hatte sich noch einmal bereit erklärt, mit uns zu sprechen, und hatte uns sogar ein paar beschreibende Hinweise auf den Vergewaltiger gegeben. Er war, so schätzte sie, ein weißer Mann zwischen vierzig und fünfzig. Und nach allem, was wir Mena entlocken konnten, sah er gut aus, was ihr aber nur schwer über die Lippen kam. »Ungefähr so wie bei Kevin Costner«, sagte sie. »Der ist ja auch schon älter und sieht trotzdem noch ganz gut aus, verstehen Sie?«
Für unser Täterprofil war das ein wichtiges Detail. Attraktive Angreifer besitzen eine zusätzliche Härte, die sie noch
gefährlicher werden lässt. Ich hatte die Hoffnung, dass Mena, wenn wir ihr nur genügend Zeit und umfassenden Schutz boten, uns noch mehr sagen würde. Was wir bisher hatten, reichte jedenfalls nicht für eine halbwegs aussagekräftige Phantomzeichnung aus. Aber sobald wir ein Bild von ihm bekommen konnten, das nicht auf ungefähr zwölftausend Spaziergänger in Georgetown passte, wollten Sampson und ich damit an die Öffentlichkeit gehen.
Sampson kippte seinen Stuhl nach hinten und streckte seine langen Beine aus. »Was hältst du davon, wenn wir uns ein bisschen Schlaf gönnen und den Rest morgen Früh erledigen? Ich bin ziemlich geschafft.«
In diesem Augenblick kam Betsey Hall zur Tür hereingehuscht. Sie wirkte sehr viel wacher als wir beide. Betsey war noch nicht lange Detective und sehr eifrig bei der Sache. Aber sie gehörte zu der Sorte Neulinge, die wissen, wo sie wirklich nützlich sein können, und einem nicht ständig auf den Füßen herumtrampeln.
»Sie haben sich bisher bei der Suche nach weiteren Opfern ausschließlich auf weibliche Opfer konzentriert?«, sagte sie. »Das ist doch richtig, oder?«
»Wieso?«, fragte Sampson zurück.
»Schon mal was von Benny Fontana gehört?«
Hatten wir beide nicht.
»Ein Mafia-Soldat, Unterboss nennt man solche Typen, glaub ich. Das war er jedenfalls«, sagte Betsey. »Vor zwei Wochen wurde er umgebracht. In einem Apartment in Kalorama Park, in der Nacht, als Lisa Brandt in
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